Tönisvorst Ein Kopf - und ganz viele Typen

Handmade in St. Tönis: Bevor eine neue Puppe mit Kasper auf die Theaterbühne darf, vergehen Stunden. Ein Selbstversuch von WZ-Redakteurin Kerstin Reemen beim Ensemble Zipfelmütze.

St. Tönis. Schön, nein schön ist er nicht. Kein Beau für die nächste Prinzenrolle, sondern ein herber Typ fürs Charakterfach. Keine Figur, die Kinder von der ersten Auftrittssekunde an lieben werden. Eher eine, bei deren Erscheinen sie kreischen werden, weil sie den guten Kasper und den netten Seppel warnen wollen.

So einen habe ich also erschaffen. Aus Zeitungspapier (natürlich WZ), Kleister und Farbe. Und was soll ich sagen: Ich bin stolz. Auf ihn und mich.

Es ist etwa ein Jahr her, dass ich zum ersten Mal am Wohnzimmertisch von Claudia Ludwig in St. Tönis Platz nahm und mir vorkam, als ginge gleich das Laternenbasteln in der Kita los: Zeitungen, Pinsel, Kleister, Farbe. . .

Alles lag parat. Und die halbe Mannschaft des Kaspertheaters Zipfelmütze war da. Das Ensemble benötigte neue Puppen, auf jeden Fall eine neue Prinzessin. Meine Mitstreiterinnen sollten nun einmal ausprobieren, welche Visagen und Charakterköpfe aus Papier geformt werden können. Ich war dabei. Blieb. Und kam mindestens fünfmal wieder. Gut und gerne 15 Stunden investiert.

Das Kaspertheater Zipfelmütze ist seit Jahren in Tönisvorst bekannt. In Kindergärten, auf Stadtfesten, durch Auftritte im Demenzcafé.

Die Puppen, die durch das Handspiel der Mitspielerinnen lebendig werden, agieren miteinander, je nach Geschichte die Prinzessin mit dem Räuber, der Pirat mit dem Magier oder Seppel und Opa.

Claudia Ludwig ist als Ausstatterin mit reichem Stoff- und Frisuren-Fundus der kreative Kopf des Teams. Sie lenkt und dirigiert die Pinsel, schlägt Farbmischungen vor, kneift hier eine Falte ins Papiergesicht, bügelt dort eine andere aus.

„Nehmt euch keine Figur vor. Es kommt sowieso anders.“ Ihr Spruch amüsierte uns Laien. Und bewahrheitete sich bei fast allen Puppenmacherinnen. Jeder Teint verändert ein Puppen-Gesicht, die Augen die Mimik, ihre Farbe wieder den Ausdruck.

Jede Perücke setzt der Figur aber ihre Bestimmung auf. Manifestiert Alter, Typ und sogar Geschlecht. „Hab ich’s nicht gesagt?“, sagt eine lachende Claudia Ludwig und spielt mit dem Wechsel von Accessoires und Ausstattung.

Dass ehrenamtliche Freude, mit einem Kaspertheater Kindern und Senioren Freude zu machen, auch so viel Bereitschaft mit sich bringt, sogar außerhalb von Auftritten viel Zeit in die Ausstattung zu investieren, wusste ich nicht.

Ich sehe die charaktervollen Handpuppen noch einmal mit anderen Augen. Und frage mich dabei nun immer auch, was die blonde Prinzessin denn hätte eigentlich werden sollen. . .