Tönisvorst Eine kleine archäologische Sensation
Die Ausgrabungen in Vorst: Noch ist nicht klar, ob dort germanische Römer oder römische Germanen siedelten.
Vorst. Julius Cäsar hatte Unrecht. Oder besser: sein Geschichtsschreiber. Der hatte nämlich stets behauptet, dass das Rheinland bis ins erste Jahrhundert unbesiedelt war, nachdem Cäsar den ersten Germanen-Aufstand gar blutig niedergeschlagen hatte. Und alle hatten es geglaubt. Dass dieses Geschichtsbild bröckelt und so nicht mehr zu halten ist, ist auch den Ausgrabungen zu verdanken, die seit Jahren im Vorster Norden durchgeführt werden.
Davon sind die Experten der Firma Archbau überzeugt, die am Montag vor der Presse eine erste Bilanz zogen. „Es war alles viel größer, als wir es vermutet hatten“, sagt Melanie Eigen, die die Ausgrabungen geleitet hat. War zunächst eine eisenzeitliche und eine spätmittelalterliche Bebauung erfasst, trat dann mit Fortgang der Ausschreibungen die die kleine Sensation zutage. Wobei beim besten Wissen noch nicht geklärt ist, wer da im ersten nachchristlichen Jahrhundert an der heutigen Schlufftrasse gewohnt hat.
„Es ist eindeutig eine römische Fundstelle“, sagt Michael Schneider. Wenn dort allerdings Römer gesiedelt hätten, dann hätten sie ihre Häuser im Stile der Germanen gebaut: aus Holz und mit Pfählen gegründet. Die andere Möglichkeit: Es waren Germanen, die aber römische Gegenstände benutzt hätten. „Eindeutig eine Zeit des Übergangs“, erklärt Schneider. Also: Villa rustica oder ein (gar nicht so) kleines germanisches Dorf.
Was den Archäologen sehr hilft, sind gefundene Reste von Gefäßen aus einem speziellen Ton (Terra nigra). Diese könne man eindeutig zuordnen, so Melanie Eigen. Ein wenig Arbeit wartet vor Ort noch auf sie. Danach geht’s ins Büro, wo die Fundlage ausgewertet wird.
Viel lassen sich die Fachleute noch nicht entlocken. Um dann aber doch eine Vermutung zu formulieren: „Möglicherweise ist das die Siedlung, die zu dem Gräberfeld gehört, das bei Hinkes Weißhof gefunden wurde“, sagt die Archäologin. An gleich mehreren Stellen fanden sie und ihr Team Mühlsteine. Und: Brunnen in einer ungewöhnlichen Anzahl. „Diese Ansammlung ist wirklich ungewöhnlich. Es sieht so aus, als ob jedes Haus einen eigenen Brunnen gehabt habe“, erläutert Eigen. Zum Teil sind diese in einem bemerkenswert gutem Zustand. Durch den hohen Grundwasserspiegel wurde das Holz feucht gehalten und so konserviert, ideal für eine exakte Altersbestimmung.
Anders als an vielen anderen Ausgrabungsstellen ist es in Vorst auch nicht so, dass die trocken gefallenen Brunnen mit Müll verfüllt wurden. Hier gab’s also keine Rückstände, die auf die damalige Zivilisation rückschließen ließen. Wie überhaupt: „Für eine Ausgrabungsstelle einer solchen Größe war der Bestand an Funden recht klein. Es kann deshalb sein, dass wir nur den Randbereich der Siedlung untersucht haben“, vermutet Schneider. Dennoch: Die Funde seien so bemerkenswert, dass sie ein gutes Thema für eine Doktorarbeit hergeben würden, da sind sich die beiden Archäologen einig.
Waren die Arbeiten ursprünglich bis Ende Oktober vorgesehen, verzögert es sich jetzt noch ein wenig. Ende November oder Anfang Dezember könne es schon werden, hieß es am Montag.