Pflichtverteidiger für Schwerhörigen
Ein Willicher (85) soll eine Nachbarin gewürgt haben. Das Verfahren wurde vertagt.
Willich. Die Informationen zu dem Vorfall vom 16. Juni vergangenen Jahres hören sich heftig an: Ein 85-jähriger Willicher soll eine Nachbarin im Treppenhaus des Mietshauses an den Hals gegriffen und sie gewürgt haben. Die Frau schrie daraufhin so laut, dass die Polizei gerufen wurde. Die schrieb dann auf Betreiben der Frau hin eine Strafanzeige. Gestern sollte die Angelegenheit vor dem Amtsgericht Krefeld behandelt werden.
Was so nicht geschah. Der Senior präsentierte sich vor Gericht als annähernd taub. Wiederholt stand er bei Fragen der Richterin auf, ging nach vorne und bekundete, kein Wort verstanden zu haben. „Hören Sie schlecht?“, fragte die Vorsitzende Richterin. „Ja, besonders wenn ich erkältet bin. Dann habe ich es mit den Nebenhöhlen“, erklärte der Mann. Nur mit Mühe konnte das Gericht seine Personalien festhalten. Es zeigte sich deutlich, dass der Mann der Verhandlung nicht folgen konnte.
Dabei war nicht einmal klar, ob er einen Verteidiger hatte. Laut Unterlagen habe er einen, erklärte die Richterin. Nein, den habe er für befangen erklärt, entgegnete der Rentner. Später soll der Jurist sich aber wieder für zuständig erklärt haben. Selbst ein Anruf in der Kanzlei konnte die Situation nicht klären. Dann bekomme der Angeklagte einen Pflichtverteidiger, ordnete die Richterin an. „Ja, aber bitte einen vom Fach. Die sind ja alle spezialisiert“, bat der Senior. Jetzt wird der Prozess neu angesetzt.
In der Sache stehen Aussagen gegeneinander. Die mutmaßlich Geschädigte sieht sich von dem Mann schikaniert, seitdem sie vor vier Jahren in das Haus einzog. „Immer war etwas anderes“, erklärte sie gegenüber der WZ. Mittlerweile ist sie mit ihrem Mann weggezogen. Das Ehepaar berichtete, dass es im Laufe der Zeit mehrere Versuche gegeben habe, den Senior psychologisch untersuchen zu lassen.
Der Senior wiederum sah sich bei dem geschilderten Vorgang als Opfer. Er habe seiner Widersacherin lediglich einen Regenschirm aus der Hand geschlagen, erklärte er auf WZ-Nachfrage. Seinen Anwalt habe er nicht mehr haben wollen, weil der sich geweigert habe, eine „Gegenanzeige“ zu erstatten.