Willich Einmal selbst Flugkapitän sein

Der Willicher Rolf Schumann betreibt einen Simulator. Der WZ-Redakteur wagte den Eigenversuch.

Foto: Friedhelm Reimann

Willich/Mönchengladbach. Ich habe auf dem Pilotensessel der Boeing 737 Platz genommen. Die Maschine steht bereits auf der Startbahn in Düsseldorf-Lohausen. „Wir schauen nach Westen“, erklärt mein Co-Pilot Peter Dirim. Der erfahrene Pilot ist der Mann, der dafür sorgen wird, dass ich auf meinem Flug im Simulator nicht abschmiere.

Die Instruktionen sind kurz und präzise. „Wir müssen auf 3000 Fuß hoch“, so Dirim. Es soll über Grevenbroich gehen, später werden wir Wuppertal überfliegen. Mit meinem sogenannten Steuerhorn (sieht entfernt aus wie ein Lenkrad) muss ich dafür sorgen, dass die Maschine am künstlichen Horizont auf Kurs gehalten wird. Zunächst heißt es aber: Ab einem Tempo von etwa 250 km/h muss ich das Horn anziehen. Wie in einem kleinen Sportflugzeug. Nur mit garantiertem Stressfaktor.

Peter Dirim, erfahrener Pilot und Betreuer im Simulator

Peter Dirim schaltet den Ton zu. Es kann losgehen. Die Triebwerke brüllen, die Boeing setzt sich in Bewegung. Es gelingt mir, sie in der Spur zu halten — kein Wunder, schließlich geht’s nur geradeaus. „Jetzt hochziehen“, sagt Dirim. Das mache ich, sehe vor mir aus dem Fenster Wolken auf mich zukommen. Links erahne ich aus dem Augenwinkel die Landschaft unter mir. Zeit, einen Blick hinaus zu werfen, habe ich nicht.

„Sie müssen höher“, sagt Dirim. Der Mann hat gut reden. Ich ziehe am Lenker, es geht höher. Viel höher. „Sie sind zu hoch“, sagt mein Co-Pilot und zeigt mit einem Baststock, wo ich hingucken muss: auf den künstlichen Horizont nämlich. Ich drücke, es geht runter. „Sie sind zu tief“, sagt mein Co-Pilot. Der Mann hat gut reden.

Ich schaffe es schließlich, den Vogel halbwegs stabil zu halten. Da macht mein Co mich darauf aufmerksam, dass die Richtung nicht mehr stimmt. Ich versuche zu korrigieren, mit dem Ergebnis, dass es bei der Höhe wieder Schwierigkeiten gibt. Längst habe ich vergessen, dass ich in einem Simulator sitze und natürlich nicht das Geringste passieren kann.

Mittlerweile haben sich auf meiner Stirn Schweißperlen gebildet, das Hemd ist bereits durchgeschwitzt. Mein Trainer hat ein Einsehen, schaltet den Autopiloten ein — übrigens ein Akt, bei dem man mehrere Schalter und Knöpfe bedienen muss. Es ist nicht so einfach wie in Flugzeug-Katastrophenfilmen. Das Ergebnis ist aber: Ich kann ein wenig entspannen, riskiere einen Blick aus dem Fenster. Wir haben unterdessen das Bergische Land erreicht, nähern uns dem Funkfeuer Barmen.

Zeit, die Rückkehr einzuleiten. Mit Dirims Hilfe (und nur mit der) drehe ich um, wenig später nähern wir uns Düsseldorf. Es ist so ziemlich alles falsch, was ich anstelle, um die 737 Richtung Landebahn zu bringen. Kaum habe ich die richtige Richtung, ist wieder was mit der Höhe falsch. Habe ich die geändert, muss mein Co-Pilot eingreifen, um uns Richtung Bahn zu bringen. Das klappt. Wir setzen auf. „Mit einem richtigen Flugzeug wäre es ein bisschen leichter gewesen“, sagt Peter Dirim lächelnd. Ich glaube, das will ich nicht wirklich probieren.

Seit vier Monaten betreibt der Willicher Rolf Schumann den Simulator. Schumann ist Inhaber der Firma Westavia, die Flugzeuge verchartert. Er fliegt auch selbst, weswegen Kollegen sich zumeist um den Simulator-Betrieb kümmern.

Wenn Menschen zum Team von Westavia kommen, die so etwas schon einmal gemacht oder die sich eingelesen haben, gibt’s für sie die klassischen Landeplätze: Innsbruck, weil es so herrlich durch die Berge geht, der alte Stadtflughafen von Hongkong mit Anflug zwischen den Wolkenkratzern hindurch oder nach Sint Maarten in der Karibik, wo’s ganz knapp über die Köpfe der Strandbadegäste hinweggeht.

Zum Schluss die Frage, die natürlich gestellt werden muss: Wenn beide Piloten während des Fluges ausfallen. Gibt’s eine Chance, den Vogel mit Hilfe eines Laien „runter zu beten?“ „Kaum“, sagt Rolf Schumann. Und Peter Dirim, der selbst rund 18 000 Flugstunden auf dem Buckel hat, ergänzt: „Wenn Sie es schaffen, den Autopiloten einzuschalten, leben Sie auf jeden Fall fünf Minuten länger.“ Eine wirkliche Chance sieht er nicht.

Was mir nach dem Flug definitiv fehlt, ist eine Dusche. Ich bin in Schweiß gebadet und mental nicht mehr aufnahmefähig.