„Für Willich“: Anzeige gegen Bernd-Dieter Röhrscheid

Neue Fraktion sieht durch den SPD-Fraktionschef und den Landesverband der Partei das Briefgeheimnis verletzt.

Schiefbahn. Die Schreiben vom SPD-Landesvorstand, mit denen Theresa Stoll, Detlef Nicola und Martin Dorgarthen aufgefordert werden, binnen einer Woche den Austritt aus der SPD-Fraktion zu erklären, platzte nicht nur in die unmittelbare Vorweihnachtszeit: Deutlich mehr verärgert sind die drei „Abtrünnigen“ darüber, dass man in Willich schon von diesen Schreiben wusste, bevor der Postbote die Briefe zugestellt hatte. Die Betroffenen machten jetzt „Nägel mit Köpfen“: Sie gingen auf die Polizeistation an der Grabenstraße und erstatteten Anzeige gegen den Landesverband sowie gegen Bernd-Dieter Röhrscheid wegen Verletzung des Briefgeheimnisses.

„Bevor wir das Schreiben am 21. Dezember hatten, ist es durch ganz Willich gegangen“, ärgert sich Theresa Stoll. Ob die Willicher SPD beim Landesverband auf ein solches Schreiben gedrängt habe? „Wir gehen fast davon aus“, sagt Detlef Nicola. Das Trio versteht sich selbst als „zweite Fraktion unter dem Dach der SPD“ und ist davon überzeugt, dass dieses Konstrukt juristisch nicht zu beanstanden ist.

Martin Dorgarthen ist — nicht zuletzt aufgrund seiner jetzt überwundenen Krebserkrankung — der Gelassenste des Trios der Fraktion „Für Willich“. Aber was zu viel ist, sei zu viel: „Es gibt Sachen, die gehen einfach nicht.“ Gleichzeitig mahnt er, „zur politischen Arbeit zurückzukehren“.

Für Stoll, Nicola und Dorgarthen steht auch fest, dass sie sich nach wie vor als Sozialdemokraten fühlen und ihr Mandat nicht für eine andere Politik nutzen, als die, die ihre Wähler von ihnen erwarten. Wie würde Theresa Stoll auf ein Parteiausschlussverfahren reagieren? „Ich würde dem zuvorkommen — nach 42-jähriger Mitgliedschaft.“ Gleichzeitig gibt sie zu, dass der Streit ihre Gesundheit angreift: „Ich war schon mal kurz davor, den Notarzt zu rufen, so hoch war mein Blutdruck.“

Bei der Ratssitzung war Fremdschämen angesagt: „Mit der Weigerung der SPD, dem Haushalt 2018 zuzustimmen, hat sie ein armseliges Bild abgegeben — das ist auch eine Klatsche für die gesamte Kämmerei und für Kämmerer Willy Kerbusch, der ja SPD-Mitglied ist“, sagt Martin Dorgarthen. Als „weitere Klatsche für die SPD“ wertet Theresa Stoll die engere Zusammenarbeit zwischen CDU und den Grünen, die in der vergangenen Woche nach außen hin kommuniziert worden ist.

Das Trio legt Wert darauf, als verlässlicher politischer Partner angesehen zu werden. Wie gehen die Genossen mit den „Abtrünnigen“ um? „Viele SPD-Mitglieder gehen total normal mit uns um“, sagt Stoll und Nicola fügt hinzu. „Einige unterscheiden, ob sie uns in der Freizeit sehen oder wenn Bernd-Dieter Röhrscheid dabei ist — dann sind sie sehr zurückhaltend.“ Wie es mit ihnen nach der Legislaturperiode 2020 weitergehen soll, darüber haben sie sich noch keine Gedanken gemacht.

Auf WZ-Nachfrage zur Anzeige gegen ihn sagte Bernd-Dieter Röhrscheid am Abend: „Ich warte das gelassen und ruhig ab.“ Er könne keine Verletzung des Briefgeheimnisses erkennen, wenn er eine E-Mail des SPD-Landesverbandes an die neun Ratsmitglieder der SPD weiterleite: „Schließlich habe ich keinen verschlossenen Brief geöffnet.“ rudi, WD