Neues Buch Als Willich noch 48 Kneipen hatte
Willich · Peter Wynands hat ein Buch über die Alt-Willicher Gaststätten geschrieben. Er geht bis 1641 zurück.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: 1970 gab es in Alt-Willich mit seinen damals 14 000 Einwohnern 48 Schankwirtschaften. „Mehr hat es nie gegeben“, berichtet Peter Wynands. Und der muss es wissen: Der 69-jährige Hobby-Historiker hat ein Buch über die „Geschichte der Willicher Kneipen und Gasthäuser“ geschrieben.
Wer hat das ganze Bier 1970 wohl getrunken? Heute gibt es nur noch 29 Schankwirtschaften und Speiselokale in Willich – dafür aber mehr als 22 000 Einwohner. Peter Wynands erklärt dies mit dem Wandel der Kneipenkultur: „Früher gingen die Männer nach der Arbeit ein Glas Bier trinken. Und am Sonntagmorgen zum Frühschoppen war die Kneipe voll.“ Doch das mache doch keine Frau mehr mit. Folge: „Heute ist in Willich am Sonntagmorgen nur noch eine Kneipe offen.“
Auf mehr als 200 Seiten und mit unzähligen Fotos hat Wynands die Geschichte von 76 Gaststätten zwischen 1641 und 2018 zusammengetragen. Recherchen im Stadt- und Kreis-Archiv, vor allem aber unzählige Gespräche mit ehemaligen Wirten und Gästen haben ihm geholfen. Zwei Jahre habe es gebraucht, bis das Buch fertig war – wobei der Grundstock vor rund zehn Jahren gelegt wurde. Damals fasste der ehemalige Mitarbeiter des Ordnungsamtes die Kneipen-Chronik schon in sechs DVD zusammen, mit deren Hilfe er Vorträge im Altenheim Moosheide hielt. „Dort kam dann die Frage auf, wo man das alles Schwarz auf Weiß lesen könne“, berichtet Wynands.
Die belegbare Geschichte der Willicher Gaststätten beginnt 1641 mit Franzen-Zollhaus in der Honschaft Hardt. Die an der Landstraße Krefeld-Neuss-Köln gelegene Zollstation verfügte über Gaststube und Übernachtungsmöglichkeiten.
Apropos Übernachtungen: 1675 logierte ein Dachdecker, der an der Willicher Pfarrkirche arbeitete, in der Gaststätte „Zum heiligen Andreas“ – im Volksmund auch „bem Drieß“ genannt. Das Haus musste Jahrhunderte später einem Neubau weichen, in dem sich heute Schreibwaren Erren befindet.
Wer das Buch liest, dem begegnen Menschen wie „Hötte-Marie“ (Marie Nilges), die bis 1988 Wirtin der Gaststätte „En de Hött“ war. Oder Josef Kresken, der auf den Beckershöfen das Lokal „Zur Eierquelle“ betrieb. Den Namen verdankte die „Quelle“ der Tatsache, dass der Wirt Hühner hatte und die Eier an der Theke verkaufte.
Die „Arabika Bar“ (Hoxhöfe) war 1962 als erste Bar im Ort eröffnet worden. „Kein Willicher Mann hat sie je betreten“, sagt Peter Wynands augenzwinkernd. Bleiben wir besser bei den Frauen: Gertrud Krücken war Wirtin der Gaststätte „Zum Anker“, die unter ihrer Leitung als „Kröcke Schnäuz“ bekannt war. Später verwandelte sich der „Anker“ in die von drei Frauen geführte „Sechs-Titten-Bar“. Katharina Spelter („Spelter Trina“) übernahm 1915 die Bahnhofsgaststätte. Der „Ceddy Club“ an der Fischelner Straße wurde 1962 von Mieke Räck als Whiskey Bar eröffnet. Tochter Hildegard führt den Betrieb heute als Gästehaus Räck.
Und auch das gehört zur manchmal kuriosen Kneipengeschichte: Am Kaiserplatz betrieb die Familie Brand eine Milchbar, die ab 1960 eine Alkohol-Konzession bekam: Den Milchmixgetränken durfte „zur Geschmacksverbesserung“ ein Spritzer Alkohol hinzugefügt werden.