Neersen: Wie ein Hut gegen den Regen

Festspiele: Intendantin Astrid Jacob bot einen pfiffig-frechen Abend zum Thema Liebe.

Neersen. Was ist ein "Milchkaffee-Hängematten-Zweisamkeitsgefühl"? Zu solchen und ähnliche kreativen Wortschöpfungen war das Publikum nach einer Stunde Lyrik und Kabarett mit Astrid Jacob fähig. Ihr Überraschungsabend stand unter der Überschrift "Ich liebe Dich - Fragezeichen (?)". Das Phänomen der Liebe wurde aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet.

Die Schlossfestspiel-Intendantin höchstpersönlich gestaltete die lyrische Textcollage mit kabarettistischen Elementen. Das ehemalige Mitglied der "Münchner Lach- und Schießgesellschaft" war dafür geradezu prädestiniert.

"Oft verliebt man sich in einen Zustand wie die Heiterkeit", erfuhr das überwiegend weibliche Publikum im ausverkauften Ratssaal über das schwer zu beschreibende Phänomen der Liebe. Astrid Jacob ließ aber auch Vernunft, Berechnung, Angst, Einsicht, Stolz und Vorsicht zu Wort kommen.

Ist Liebe wirklich ein Krückstock, um besser zu gehen und ein Hut gegen den Regen? Jacobs Wandlungsfähigkeit war gefordert bei der Vielschichtigkeit des Programms. Ganz im Sinne von Erich Kästner machte sie sich als offenherzig bekleidete Bardame Ellen ("Das müssen Sie sich jetzt vorstellen") Gedanken darüber, ob Macht sexy macht. Als schwaches Weib ohne Gnade für die Schwäche anderer säuselte sie. Als Chanconette ließ sie die Zeit aus der Wanduhr tropfen und stellte mit den Worten Kästners fest: "Am schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit."

Fürs Kabarettistische waren Klaus-Peter Schreiner und Werner Schneyder mit ihren Texten zuständig - was einst die Münchner Lach- und Schießgesellschaft auf die Bühne gebracht hat, war gründlich entstaubt von übertriebener Romantik und Gegenwartsentrücktheit. Wie vieldeutig der Begriff Single ist, machte folgende Differenzierung deutlich: "Die Einsamen sind nicht die echten Singles - die brauchen Partner, um ihren Status so richtig genießen zu können." Und: "Einsamkeit ist die Belästigung durch sich selbst."

Es war also insgesamt eher ein nachdenklich stimmender Abend, nichts zum Auf-die Schenkel-klopfen, aber ein pfiffig-frecher, dem Astrid Jacob ihren persönlichen Stempel aufdrückte. Sie stellte unter anderem auch die gegenwartsnahe Schneewittchen-Variante von Klaus-Peter Schneyder vor, wo der sprechende Spiegel von einem Computer ersetzt wird, wo sieben Zwerge die freiheitlich-demokratische Grundordnung untergraben - ein sehr erfrischender Text.

Zum Schluss sammelte Astrid Jacob Ideen in den Reihen der Zuhörer und notierte nicht nur das "MilchkaffeeHängematten-Zweisamkeitsgefühl". Schade, dass dieser Abend im Festspiel-Programm nur einmalig war.