Reportage: Schneiden, nicht schnipseln

Luwig Pöllen vom Obst- und Gartenbauverein führt den richtigen Baumschnitt vor. Elf interessierten Frauen und Männern zeigt er, was es mit dem Spruch "Nicht schnipseln, sondern schneiden" auf sich hat.

Anrath. Ein kurzer Blick und die Entscheidung ist gefallen: Der Ast muss ab. Bei Ludwig Pöllen entspringt kein Schnitt dem Zufall, langjährige Erfahrung und ein gutes Auge machen den Vorsitzenden des Obst-und Gartenbauvereins Anrath zum Fachmann in Sachen Obstbaumschnitt. Übernommen hatte er die Kunst von Walter Zismann, einem gelernten Obstbauer aus Anrath. "Er hat das Schneiden von der Pieke auf gelernt. Als er gestorben ist, habe ich sein Amt weitergeführt", erzählt Ludwig Pöllen. Seitdem lädt er jedes beginnende Frühjahr zur Schnittdemo auf den Brockmannshof.

"Die Gärten der Familie Brockmann bieten wunderbare Voraussetzungen für einen Rundgang", so der Obstbaumexperte. Elf interessierten Frauen und Männern will er heute zeigen, was es mit dem Spruch "Nicht schnipseln, sondern schneiden" auf sich hat.

Mit dabei ist Susanne Meyer. Sie hatte von dem Angebot aus der Zeitung erfahren und war sofort begeistert. "Das ist eine tolle Sache. Ich habe viele Obstbäume zu Hause und seitdem ich selber schneide, tragen sie nicht mehr so viele Früchte wie früher. Ich hoffe, dass ich jetzt erfahre, wie es richtig geht", erzählt die Anratherin.

Das hofft auch Norbert Palgen. Er hat erst seit zwei Jahren Obstbäume im Garten und will beim ersten Schnitt nichts falsch machen. "Das ist schon eine Wissenschaft für sich. Es wäre schön, wenn ich in diesem Sommer die ersten Kirschen ernten könnte."

Ludwig Pöllen gibt sich viel Mühe, sein Wissen zu vermitteln. Als er binnen Sekunden entscheidet, welcher Ast nun dran bleibt und welcher ab muss, blickt die Mehrheit der Gruppe doch etwas ratlos auf den kleinen Apfelbaum. Die Mission heißt: Alle Wildlinge und Wasserschosse müssen weg! Der Fachmann erklärt: "Der Baum braucht Luft zum Atmen. Überflüssige Äste behindern nur die jungen Triebe und nehmen ihnen Platz und Nährstoffe zum Wachsen", so Pöllen. Deshalb zögert er auch nicht, große Äste zu entfernen.

"Es bringt überhaupt nichts, nur die Spitzen zu schneiden. Sie wachsen sofort wieder nach", sagt der Gartenexperte. "Aber woher weiß ich, ob dieser Ast ab muss?", fragt Susanne Meyer unsicher. Die Anratherin zeigt Ludwig Pöllen die gemeinte Stelle. "Dieser Ast zeigt von der Seite nach innen. Es handelt sich eindeutig um Fruchtholz, einen jungen Trieb mit vielen Blütenknospen. Spätestens zur nächsten Saison wird er ordentlich Früchte tragen. Also bleibt er dran", erklärt der Fachmann. Entfernt werden müssten vor allem diejenigen Äste, die steil noch oben oder steil nach unten stünden. Und er fügt hinzu: "Auch die starken Äste an den Seiten müssen weg. Damit die Krone nicht zu groß wird. Je kleiner man den Baum hält, desto mehr Früchte wird er tragen."

Obwohl Palgen nicht auf alle seine Fragen Antworten gefunden hat, ist er froh, gekommen zu sein. "Die Führung hat mir viel gebracht. In der nächsten Woche werde ich meinem Kirschbaum einen Besuch abstatten." Schließlich soll es mit der Ernte noch in diesem Jahr klappen.