Tönisvorst. Als die WZ vor einigen Jahren ihre Leser nach dem bedeutendsten Tönisvorster fragte, gab’s ein absolut klares Ergebnis. Die Leser rannten der Redaktion die sprichwörtliche Bude ein, um ihr Votum für einen Vorster abzugeben: Dr. Ernst Boekels - der Mann, der vor über 40 Jahren das Hilfswerk action medeor gründete. "Ich wollte nicht tatenlos zusehen, wie andere leiden", sagt der Mediziner rückblickend. Und spricht damit eine Eigenschaft an, die er mit vielen Tönisvorstern teilt: hilfsbereit und anpackend.
Und so machten sich die Tönisvorster daran, die Welt mit Medikamenten zu versorgen. Immer in der Hoffnung, dass genug zusammenkommen würde, um irgendwann mal alle Krankheiten mit gespendeten Medikamenten aus Vorst behandeln zu können.
"Typisch für Tönisvorster?", fragt Boekels und kratzt sich nachdenklich an der Stirn. Vielleicht, dass der Tönisvorster auch nach vielen Jahren noch zu seinen Fehlern steht? Boekels nennt ein Beispiel. "Als junger Mann, wir hatten zu Hause einen Bauernhof, habe ich mal Eier verkauft. Anstatt 14 habe ich 15 Pfennig genommen. Und das zehnmal. Das war eigentlich Betrug." Bereut er das heute noch? "Das war ja vor dem Krieg und ist schon vielfach verjährt", sagt Boekels und hat dabei just den Gesichtsausdruck aufgesetzt, der ahnen lässt, dass er seinen Gesprächspartner veräppeln möchte. Auch eine Tönisvorster Eigenart.
Keine Gewissensbisse habe er dagegen bei einem anderen Diebstahl gehabt, verrät er. "Als 17-Jähriger war ich Soldat. Wir saßen im so genannten Ruhrkessel in einem beschlagnahmten Haus." Es gab einen Beschuss, die Decken drohten einzustürzen. Boekels und seine Kameraden brachten sich in eine darunter liegende Wohnung in Sicherheit. "Da hatten Nazi-Bonzen gehaust, die längst über alle Berge waren. Die hatten bei ihrer Flucht aber Lebensmittelkarten liegen gelassen", erinnert sich der Mann. Die habe er sich eingesteckt, ohne zu wissen, dass sie tatsächlich noch gültig waren. Umso überraschter war er, dass es dafür im Geschäft noch etwas gab. "Wir hatten Hunger, riesigen Hunger." Ein anderer Tönisvorster hätte sicher genauso reagiert.
Dr. Boekels konstatiert für "seine" Vorster noch eine Eigenheit, die womöglich nicht für die ganze Stadt gilt. "Sie sind schon ein eigenartiges Völkchen", sagt er augenzwinkernd. "Früher waren sie halt sehr isoliert. Da kam zweimal am Tag der Schluff, das war’s. Ein wenig davon spürt man heute noch." Sagt’s und lässt offen, ob er sein Gegenüber nicht schon wieder aufs Glatteis führen wollte.