Schüler erfahren, was Flucht bedeutet
Neuntklässler des Meitner-Gymnasiumsschlüpften in die Rolle von Flüchtlingen. Möglich machte das der Missio-Truck.
Anrath. Maiwenn und Janina drehen ihre Avatar-Karten, die sie gerade von Franziska Jurgeit erhalten haben, neugierig um. Die beiden sind nun keine Neuntklässlerinnen des Lise-Meitner-Gymnasiums mehr, sondern Irene und Falon: eine 22-jährige Aushilfe mit Schulabschluss und eine 18-jährige Verkäuferin aus dem Ostkongo. Ein Land, in dem der Bürgerkrieg wütet. Sie treffen sich auf dem Markt in ihrem Heimatdorf, wo Händler mit ihren Seifen, Gewürzen und Früchten stehen. Kürbisse und Kakaofrüchte liegen in Körben, Bananen hängen von Ständen herab, bunte seltsam riechende Seifen sind zu sehen.
Maiwenn, Schülerin
Das alles ist keine Fiktion, sondern Realität, zumindest ein stückweit. Zwar befinden sich die 15- und die 14-Jährige nicht auf einem Markt in Afrika, aber auf einem mit Fotos und Gegenständen originalgetreu nachgebauten Markt im Missio-Truck, der auf dem Schulhof des Gymnasiums steht. Der knapp 17 Meter lange und über zweieinhalb Meter breite Lastwagen beinhaltet die multimediale Ausstellung zum Thema „Menschen auf der Flucht“ in Form von sechs thematisch gestalteten Räumen.
Mit dem nachgebauten Markt erfolgt die Einführung in das Thema. „Ihr müsst euch jetzt vorstellen, ihr seid auf der Flucht und steht gerade zum letzten Mal auf dem Markt eurer Heimat“, erklärt die Missio-Mitarbeiterin. Jurgeit informiert über die Situation im Ostkongo, bevor es für die beiden Mädchen durch eine Tür zur nächsten Station geht. „Pack’ dein Leben zusammen“ heißt es dort. Untermalt von den Geräuschen fahrender Panzer müssen die Gymnasiastinnen entscheiden, was sie auf der Flucht mitnehmen wollen. Dafür muss die Spielkarte mit dem QR-Code unter den Scanner gehalten werden. Entsprechend der Person, die sie darstellt, erscheinen auf dem Bildschirm Auswahlmöglichkeiten. Sind die Zeugnisse wichtiger als Lebensmittel? Papiere oder Adressbuch? Eine Entscheidung muss nach der anderen getroffen werden. Station folgt auf Station, wobei eine jede von der anderen räumlich abgetrennt ist.
Anna-Lena Dax, Missio-Truck-Team
Den Besuchern wird, so nah wie es geht, ein realistischer Eindruck verschafft, was es heißt, auf der Flucht zu sein. In der Abteilung „Auf der Fahrt“ vermittelt ein schmaler, enger Raum mit einem halbaufgeschnittenen Lkw das Gefühl, unterwegs zu sein.
„Es ist sehr emotional“, bemerkt Maiwenn nach ihrer Zeit im Truck, und auch Janina spricht davon, ein Gefühl für die Menschen auf der Flucht bekommen zu haben. Und genau das ist es, was der Missio-Truck, der jetzt zum ersten Mal am Lise-Meitner-Gymnasium zu Gast war, vermitteln möchte. „Wir möchten sensibilisieren und verdeutlichen, was Flucht heißt. Wir möchten Zusammenhänge deutlich machen und Hintergründe aufdecken“, sagt Anna-Lena Dax vom Truck-Team.
Was hat zum Beispiel das eigene Handy mit Flüchtlingen aus Afrika zu tun? Die Missio-Mitarbeiter machen es klar. Die Rohstoffe liegen in der Erde Afrikas und rufen dort durch rivalisierende Minenbanden den Bürgerkrieg hervor, der die Menschen zur Flucht treibt. Handy-Recycling unterstützen und Herstellern verdeutlichen, dass man nicht gewillt ist, Produkte zu kaufen, deren Rohstoffe aus Krisengebieten kommen, sind eigene Handlungsmöglichkeiten. So gibt es am Truck eine entsprechende Unterschriften-Aktion.
Den Missio-Truck hat Sigrid Stegemerten ans Gymnasium geholt. „Ich hatte von dem Truck erfahren und fand, dass es nicht nur aufgrund der aktuellen Flüchtlingsbewegung, sondern auch in Hinblick auf die eigene Verantwortung ein mehr als gutes Angebot ist. Bewusstsein und einen verantwortungsvollen Umgang schaffen sind die Stichworte“, sagt die Geschichts- und Religionslehrerin. Insgesamt durchliefen knapp 200 Schüler der Stufe neun und der EF den Truck in Kleingruppen.