St. Tönis: Bedrückendes Stück zur Menschenwürde

Die Theater AG des Michael-Ende-Gymnasiums zeigte „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ nach Heinrich Böll.

St. Tönis. Es war 1972, als Heinrich Böll nach einer Stellungnahme im "Spiegel" über Ulrike Meinhof Opfer einer Rufmordkampagne wurde. Zwei Jahre später schrieb er "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Dort schildert er, wie ein Mensch durch reißerische, wenig reflektierte Berichterstattung zerstört wird. Die Theater-AG des Michael-Ende-Gymnasiums ließ jetzt den Geist der 70er Jahre wieder lebendig werden - und machte indirekt deutlich, dass die Sensationspresse in ihrer Menschenverachtung an Relevanz kaum verloren hat.

Ursula Schnetkamp als Leiterin der Theater-AG hatte diesmal auf einige Akteure verzichten müssen - unmittelbar vor den Abiturprüfungen hatten sie Prioritäten setzen müssen. Trotzdem machten die beteiligten Schauspieler nicht den Eindruck, zweite Wahl zu sein.

Katharina Blum, verkörpert von Ann-Catrin Dornauer, eine 27-jährige Frau, die durch die Bekanntschaft mit einem Kriminellen zum Medienstar wider Willen wurde, hatte Heinrich Böll als starke Frau charakterisiert. Auf beklemmende Weise wurde deutlich, wie belastend und entwürdigend ein Polizeiverhör sein kann. Vor allem die schneidige, fast übermotivierte Kommissarin Beizmenne (Paulina Schmitz) ließ es an Spitzen gegen die zu Verhörende nicht mangeln.

Eine zentrale Rolle spielte auch Werner Tötges, Journalist eines Boulevardblattes. David Jacobs schien diese Rolle verinnerlicht zu haben - die Rolle eines seiner Macht bewussten, nicht zu Selbstzweifeln neigenden Mannes. Daniel Ixkes, der im vergangenen Jahr sein Abitur gemacht hatte, schlüpfte immer wieder in die Rolle des Erzählers, der Mahners, des Gewissens. Er stellte die kritischen Fragen in den Raum, während Katharina Blum, die mit ihrem Pagenschnitt aussah wie einst die junge Meinhof, immer mehr diskreditiert wurde.

Mit Ruhm bekleckerten sich auch nicht der Industrielle Alois Sträubleder (Marcel Slodczyk), der Katharina Blum nachstellte und jetzt fürchtet, ebenfalls Opfer der Medien zu werden. Nur einen Hauch objektiver als die übereifrige Polizistin: Staatsanwalt Peter Hach (Marcel Horster). Ebenfalls eine starke Frau: Elke Wolterheim (Eva Hennecke), die Tante von Katharina Blum. Der sich selbst als "links" bezeichnende Anwalt Dr. Blorna (Lukas Kuhlendahl) fürchtet ebenfall³s um seinen Status und um seine Statussymbole, während die Mutter Katharinas stirbt.

Aber es soll noch einen Toten geben: Katharina Blum erschießt zum Schluss den Sensationsreporter und zerstört damit endgültig ihr eigenes Leben. Eine bedrückende Story, die zugleich Mahnung ist, die Würde anderer Menschen zu achten.