Tafel gegen das Vergessen

Im Zentrum von Vorst sind ab sofort die Namen von Opfern der NS-Zeit zu lesen.

Foto: Kurt Lübke

Vorst. Die Dunkelheit bricht gerade herein. Es ist mucksmäuschenstill im Zentrum von Vorst. Nur einige Schüler treten ans Mikrofon, nennen die Namen von 27 einst hier lebenden Menschen, die von 1933 bis 1945 verfolgt, vertrieben, deportiert oder ermordet wurden. Nach jedem Namen wird eine Kerze angezündet, die die jungen Leute unter den etwa 120 Zuhörern verteilt haben.

Edith Mascini, Peter Joppen und David Wirth haben da bereits vor einem Wohnhaus mit dem Standort Clevenstraße/Markt 3 eine Gedenktafel mit dem Namen der 27 früheren Mitbürger enthüllt. Schüler der AG „Stolpersteine“ des Michael-Ende-Gymnasiums (MEG) haben mit Kreide „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit & Sicherheit der Person“ auf den Asphalt geschrieben.

Dass dies in der NS-Zeit ganz anders war, macht Sängerin Rita Suermondt deutlich. „Ich wandere durch Theresienstadt, mein Herz, so schwer wie Blei“ — so beginnt ihr erstes Lied. Benedikt Sievert (19) begleitet sie mit der Gitarre. Mahnende Worte des Nicht-Vergessens sprechen Bürgermeister Thomas Goßen und die stellvertretende Landrätin, die Vorsterin Luise Fruhen. Sie sagt: „Wir müssen uns stets daran erinnern, dass auch in Vorst Täter und Opfer Nachbarn waren.“ Und die AG-Sprecherin des Gymnasiums, Sina Kugel (18), appelliert an ihre Generation, achtsam zu sein und sich im Alltag oder durch ehrenamtliches Engagement für die Menschenrechte einzusetzen.

Möglich gemacht hat die am Mittwochabend enthüllte Gedenktafel auch der Initiativkreis „Stolpersteine für Vorst“, mit Christel Tomschak, Edith Mascini (für die künstlerische Gestaltung der Tafel verantwortlich), Manfred Tripp und Peter Joppen an der Spitze.

Bereits im Dezember vorigen Jahres waren in Vorst für die Familien Horn und Rosenberg acht Stolpersteine verlegt worden. Wahrscheinlich Anfang März 2015 kommen 13 weitere für die Familien Katz und Wilner hinzu.

Auch diese Namen stehen auf der 1,60 mal 0,70 Meter großen Gedenktafel aus gebürstetem Edelstahl. So wie die von Josef-Jakob Vogel oder Johannes Bossinger, einem früheren Kommunisten und politisch Verfolgten.

Und auch der Name des Pfarrers Theo Kniebeler ist zu lesen, der im Alter von 29 Jahren im Dezember 1939 zur katholischen Vorster Kirchengemeinde St. Godehard kam. Mehrmals äußerte er sich auf der Kanzel kritisch über das Nazi-Regime. Als er im Rahmen seines Einsatzes als Sanitätsgefreiter im April 1942 auf kurzem Heimaturlaub war und er sich — ebenfalls öffentlich — über SS-Leute aufregte, die mit Waffengewalt Kloster erstürmt hatten, geriet er in die Fänge der Justiz. Nur knapp entging er dem Todesurteil.

Kniebeler kam mit neun Monaten Gefängnis und mit einem dreiwöchigen verschärften Arrest davon. Der Rest der Gefängnisstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Er musste seinen Kriegseinsatz fortsetzen, wurde dabei im März 1944 schwer verwundet.

Kniebeler starb aufgrund seiner Verletzungen im Alter von 43 Jahren in einem Kriegslazarett. Er wurde am Karfreitag des Jahres 1944 im ostpreußischen Sudauen begraben.