Theater in St. Tönis Vorstandssitzung endet im völligen Chaos

St. Tönis · Das Euro-Studio Landgraf packt mit dem Stück „Extrawurst“ die Thematik der Einwanderungspolitik im Forum Corneliusfeld an: Dabei geht es doch nur um einen Grill.

Die Anschaffung eines Grills sorgt für Chaos: Das Theaterstück „Extrawurst“ im Forum Corneliusfeld.

Foto: Norbert Prümen

(b-r) „Extrawurst“ im Forum Corneliusfeld: Die Besucher schlenderten noch zu ihren Plätzen, da saß Daniel Pietzuch als zweiter Vorsitzender eines Tennisclubs am Tisch auf der Bühne, um die gleich beginnende Vorstandssitzung vorzubereiten. Dabei begrüßte er einzelne (Theater-) Gäste, sprich: die Vereinsmitglieder.

Diesem Prinzip blieben die Schauspieler treu. Gerd Silberbauer, der eine wunderbare (und erschreckende) Version eines autokratischen Vorsitzenden des Clubs gab, offerierte auch mal ein Bier. Eine Besucherin nahm es an. Immer wieder wurden die Theaterbesucher direkt angesprochen – bis hin zu einer Abstimmung über die Anschaffung eines Extragrills. Die Mehrheit war dafür. Denn das ist der Kern der „Extrawurst“, einer Produktion des Euro-Studios Landgraf. Unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ steht die Überlegung, einen neuen Grill anzuschaffen. Kein großes Thema, wäre da nicht der Vorschlag des Vereinsmitglieds Melanie Pfaff, gespielt von Susanne Theil, im Hinblick auf ihren türkischstämmigen Doppelpartner Erol einen zweiten Grill für Nicht-Schweinewürste anzuschaffen. Dieser Vorschlag führt zu einer vollständigen Zerlegung des Vorstands, zum Ende von Freundschaft und Doppelpartnerschaft und vielleicht auch einer Ehe.

Eine „Dramödie“ haben die Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob ihr Stück genannt, das 2019 uraufgeführt wurde und an Aktualität nicht verloren hat. Eine passende Wortschöpfung, ist dem Zuschauer doch ständig gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen zumute. Fragt er sich doch die ganze Zeit: Wie kommen die Clubmitglieder aus dieser Diskussion heil heraus? Einer Diskussion, in der die Beteiligten sogar handgreiflich werden. Einer Diskussion, die von der Schweinewurst zu den Themen Toleranz, Glauben, Integration, Homosexualität und den Tücken der Einwanderungspolitik führt. Matthias Happach überzeugt in der Rolle des türkischstämmigen Erol, der alle Klischees kennt und bedienen kann. Hans Machowiak als Torsten Pfaff vertritt authentisch die Rolle des intelligenten und aufgeklärten modernen Menschen, der am Ende doch kapituliert. Susanne Theil, Doppelpartner von Erol, ist der überzeugenden Gutmensch. Daniel Pietzuch gibt einen zweiter Vorsitzender, der pedantisch und kleinkrämerisch agiert. Die fünf kommen nicht heil heraus. Es gibt kein Happy End. Nur die Möglichkeit eines Neuanfangs, wie der Vorsitzende des Clubs am Ende konstatiert.

Die Theaterbesucher wollten die Truppe nicht von der Bühne gehen lassen. Die Schauspieler ließen den Kontakt bis zum letzten Moment nicht abbrechen und gaben – ihrerseits den Gästen applaudierend – das geklatschte Lob zurück.