Herr Schwarz, wie geht es Ihnen?
WZ-Gespräch mit Ex-Bürgermeister Albert Schwarz „Politiker sollten mutiger werden“
Tönisvorst · Ex-Bürgermeister Albert Schwarz ist ein guter Beobachter der lokalen Geschehnisse in der Stadt Tönisvorst.
Vor 25 Jahren wurde der Lehrer Albert Schwarz Bürgermeister von Tönisvorst. Er blieb es 15 Jahre lang. Seit knapp zehn Jahren ist er in Rente. Was sagt Schwarz heute als Beobachter zur Tönisvorster Lokalpolitik, zu Standtentwicklung, zu Schulen und Ehrenamt? Ein Redaktionsgespräch mit der WZ. Am Frühstückstisch des Bürgermeisters a.D..
Albert Schwarz: Gut! Walken erhält meine Gesundheit. Ich gehe jeden zweiten Tag bei jedem Wetter, habe drei Strecken zwischen vier und sieben Kilometern.
1994 übernahmen Sie das Amt des Bürgermeisters von Tönisvorst. Zunächst ehrenamtlich. 1999 wurden Sie hauptamtlicher Bürgermeister, zugleich Realschul-Rektor a.D.. Logischer Schritt oder wehmütig machender Einschnitt?
Schwarz: Meine Schüler in Kempen waren sauer, obwohl ich unter Stadtdirektor Günter Scheuer zunächst ja ehrenamtlich tätig war. Die größte Lebensumstellung war tatsächlich die zum hauptamtlichen Bürgermeister, zum Verwaltungschef. Das war eine ganz neue Welt. Als ich gewählt war, kam das Erwachen: „Dann hast Du ja gar nicht mehr mit Schülern zu tun, sondern mit Erwachsenen“, dachte ich damals. Ich war sehr gerne Lehrer.
2009 traten Sie nicht mehr zur Kommunalwahl an. Könnten Sie sich persönlich ein solches Chef-Amt in der heutigen Beanspruchung einer Verwaltung noch vorstellen?
Schwarz: Alles ist endlich. Ich habe damals den Schritt in der Überzeugung gemacht, da müssen einmal Jüngere ran. Ich kann nicht kritisieren, dass manche im Alter an Ämtern hängen, und es selber tun. Das ist nicht meins. Verwaltung hat sich verändert. Meine politische Tätigkeit, etwas zu bewirken, ist zurückgetreten. Ich begleite Politik, bewerte sie auch, aber greife sie nicht mehr an.
Sie haben sich einmal so beschrieben: „eher Moderator als Macher“. Bleiben Sie dieser Haltung treu?
Schwarz: Ich suche jedenfalls das Gespräch.
Was macht Lokalpolitik so reizvoll? Was macht sie zum Knochenjob?
Schwarz: In der reinen Politik stelle ich fest, dass die Vielfalt der Parteien gar nicht mehr so auffällt. Früher waren sie schärfer voneinander zu trennen. Von der großen Politik bis in die Politik hier vor Ort lässt sich ablesen, dass sich Politiker von Bürgern mehr beeinflussen lassen, durch Bürger auf Probleme hingewiesen werden. Das ist einerseits demokratischer. Aber die Kraft und Standfestigkeit des einzelnen Politikers ist meines Erachtens geringer geworden. Oft heißt es, „die Fraktion hat besprochen“. Man hört wenig Eigenmeinung. Der Einzelne sollte in der Partei mutiger werden, die Bereitschaft zeigen, Meinung zu vertreten, auch wenn er sich damit mal unbeliebt macht. Das vermisse ich manchmal. Früher wurde mehr vom Stadtrat aus gearbeitet. Heute sind die Bürger selbst in der Lage, sich zu artikulieren und Sachen voranzubringen. Darauf hat sich die Lokalpolitk noch nicht genug eingestellt. Es müssen mehr junge Leute rein, die über Gruppen den Dialog suchen, den Bürger mitnehmen.
Wo ist in den vergangenen 20 Jahren das Potential der Stadt Ihrer Meinung nach nicht ausgeschöpft worden?
Schwarz: Mir hat man vorgeworfen, Gewerbegebiete zu wenig zu fördern. Aber mir scheint heute, dass das Potential möglicher Gewerbeansiedlungen nicht ausgeschöpft wird. Hefe van Haag ist weg. Hätte man da nicht mehr tun können? Oder Real – da ist ein Riesenstück Fläche frei. Warum wird dort nicht Gewerbe angesiedelt. Die Mühlenstraße entwickelt sich nicht weiter. Die „Alte Weberei“ auch nicht. Was das Wohnen angeht: In St. Tönis bekommt man kaum eine Wohnung oder einen Bauplatz mehr. Ich sehe aber etwa Potential im Bereich Nüss Drenk.
Bald wird in Tönisvorst am Stadtentwicklungskonzept gearbeitet. Wird der Bürger Albert Schwarz das Angebot der Mitwirkung annehmen?
Schwarz: Als Bürger werde ich mir das ansehen. Aber inwieweit ich mitwirke, weiß ich noch nicht. Ich werde im Dezember 75 Jahre alt. Mein Leben ist begrenzt. Man muss auch ein Ziel sehen. Ich finde aber die Gestaltungsansätze von Politik mit Bürgern gemeinsam sehr positiv.
Mit einem ehemaligen Lehrer muss man über Schule reden. Wie beurteilen Sie die Schulentwicklung in Tönisvorst?
Schwarz: Ehrliche Antwort? Dass die Realschule geschlossen wurde, ist eine... ist schade. Der Sekundarschulversuch ist gescheitert. Das kann passieren. Aber ob eine Gesamtschule die spezielle Arbeit an Schülern leisten kann? Den Wegfall der Hauptschule bedaure ich: Da ist eine Abwertung erfolgt, die zu dem Aus der Schulform geführt hat. Die Zukunft wird zeigen, ob in Tönisvorst genug Potential für das Michael-Ende-Gymnasium und die Gesamtschule ist. Mir ist die Schnittmenge beider Schulen zu groß. Aber Gesamtschulleiter Andreas Kaiser sehe ich positiv. Er macht gute Arbeit. Übrigens bin ich der Meinung, dass unsere Schulen einen erheblichen Erneuerungsbedarf haben.
Würde man von heute auf morgen das Ehrenamt abschaffen, was würde passieren?
Schwarz: Es würde alles zusammanbrechen. Man kann gar nicht alles bezahlen. Beispiel Feuerwehr und ihre ehrenamtlichen Kräfte vor Ort. Beispiel Stadtkulturbund. Was dieser Verein der Stadt gibt. Oder der Bürgerbus – eine tolle Sache. Die Grünen Damen in Krankenhaus und, und, und. Das Ehrenamt müsste noch mehr anerkannt werden. Insofern sehe ich die eingeführte Ehrenamtskarte positiv. Bürger wollen sich einbringen. Vielleicht muss man sie noch mehr ansprechen.
Wo engagieren Sie sich heute noch?
Schwarz: Als ich 70 wurde, habe ich meine Vereinsmitgliedsschaften einmal genau daraufhin angesehen, was ich noch schaffen kann. Damals wurde ich angesprochen, ob ich mir die Arbeit im Kirchenvorstand von St. Cornelius in St. Tönis vorstellen könne. Und ich habe unter der Vorgabe, es vernünftig machen zu wollen oder gar nicht, ja gesagt. So ohne Arbeit geht’s ja auch nicht.
Tönisvorst wird 2020 50 Jahre alt. Wissen Sie noch, was Sie 1970 über die Stadtwerdung gedacht haben?
Schwarz: Das war damals von Düsseldorf arrangiert worden. Vorst und St. Tönis waren nicht immer eine Einheit. Doch die Zeit der Trennung ist vorbei. Wir sind eine Stadt Tönisvorst. Nur manche haben bei der Aussage noch Bauchschmerzen.
Wie feiern Sie das Fest mit?
Schwarz: Das weiß ich noch nicht. Mal sehen, was sich ergibt. Man muss ja auch gesund sein.
Was wünschen Sie der Stadt für die nächsten 50 Jahre?
Schwarz: Zusammengehörigkeitsgefühl. Dass sich der Bürger für die Stadt einsetzt und gleichzeitig etwas für sich daraus gewinnen kann. Dass man sich mit der Stadt identifizieren kann. Wir sind nicht die Schlafstadt von Krefeld.