Willich Zwei Welten zueinander führen
Der Willicher Verein „Dâreyn“ hat eine Vision: Er will eine Gesellschaft formen, in der Herkunft, Glaube und Hautfarbe nicht als negative Attribute angesehen werden.
Willich. „Sie sprechen aber gut Deutsch!“ „Ich bin ja auch gebürtiger Willicher.“ Kurzdialoge wie dieser spiegeln genau die Lebenssituation wieder, die Ekrem Engin (26) und 29 andere Mitglieder mit dem Namen ihres neugegründeten Vereins in Willich ausdrücken wollen. „Dâreyn“. Das ist ein alt-osmanisches Wort und bedeutet „zwei Welten“.
Mit und zwischen zwei Welten, bikulturell und bilingual, sind Ekrem Engin, Nilüfer Ötztürk, Derya und Seyma Ünsal aufgewachsen. Als Nachkommen von Zuwanderern sind sie hier geboren, in Willich aufgewachsen und zur Schule gegangen.
Engin studiert zurzeit an der Fachhochschule Niederrhein Steuern und Wirtschaftsprüfung. Derya Ünsal (23) hat ihr Studium „International Business“ abgeschlossen und studiert nun Englisch und Türkisch auf Lehramt an der Uni Duisburg/Essen. Nilüfer Ötztürk (29) hat sich für das Studienfach „Soziale Arbeit“ in Duisburg eingeschrieben. Seyma (19) bekommt in einer Woche ihr Abiturzeugnis an der Robert-Schuman-Europaschule ausgehändigt und denkt darüber nach, ab Herbst Archäologie zu studieren.
Junge, gut ausgebildete Menschen mit viel Potenzial, die aber wissen, wie sie auf ihrer Vereins-Homepage formulieren, dass Nachkommen von Zuwandererfamilien „größtenteils einen persönlichen Kulturenkonflikt“ erleben. Sie könnten sich weder mit der deutschen noch mit der Kultur ihrer Vorfahren vollkommen identifizieren.
Ihr neuer Verein „Dâreyn“, gegründet Anfang des Jahres, will da gesellschaftlich, lebens-praktisch anknüpfen, Menschen verschiedener Kulturen zusammenbringen und den interkulturellen Austausch anregen. „Wir wollten weder einen politischen Verein gründen, noch einen mit religiösem Hintergrund“, sagt Engin. Politik und Religion, das erlebe man auch in der Diskussion um die Türkei, grenzten zuweilen aus. „Wir aber wollen Verbindendes“, betont Derya Ünsal (2. Vorsitzende). Nilüfer Ötztürk: „Wir sind gut integriert und wollen auch zeigen, dass wir hier angekommen sind.“
Die Vereinsgründung soll Ideen und Werte in Willich pflanzen, selbst wenn die Vereinsgründer irgendwann aus beruflichen oder privaten Gründen die Heimatstadt verlassen müssen.
Die Vorstandsriege will den jungen Verein bekannter machen. Ein jährliches Sommerfest mit sportlicher Note (siehe Kasten) soll Türöffner sein — Interessierte ansprechen.
„Wir haben zurzeit 30 Mitglieder“, sagt Derya Ünsal. Viele von ihnen sind zwischen 15 und 22 Jahren. Menschen miteinander ins Gespräch bringen, Chancen von Schülern und Berufseinsteigern wahren und erhöhen, indem Vereinsmitglieder sie mit Nachhilfe und Bewerbungstrainings unterstützen — das sind erste lebenspraktische Angebote. Noch sind keine Willicher ohne Migrationshintergrund Mitglied geworden. Das solle sich ändern, sagt Derya: „Nächstes Jahr erhoffen wir uns mehr multikulti.“
Zwischen 2011 und 2013 hat der Willicher Ekrem Engin in der Türkei zwischen zwei Welten gelebt. „Da war ich der Deutsch-Türke. Die Türken in der Türkei denken anders.“