Tönisvorst In Tönisvorst hat er den Acker gut bestellt

Am Sonntag wird der katholische Pfarrer Ludwig Kamm in den Ruhestand verabschiedet. Gemeinsam mit der WZ hat er auf seine 27 Jahre als Seelsorger in Vorst und St. Tönis zurückgeblickt.

Tönisvorst. Seine Amtseinführung am 9. Dezember 1990 begann um 15 Uhr. Das weiß Ludwig Kamm noch ganz genau. Ebenso gut kann er sich erinnern, „dass sofort erste Anliegen an mich herangetragen wurden.“ Zum Beispiel zum Turnraum im Vorster Kindergarten. Am kommenden Sonntag steht der katholische Geistliche im Gemeindezentrum Haus Vorst erneut im Mittelpunkt. Doch um Turnräume wird es diesmal sicher nicht gehen: Der Pfarrer von St. Godehard in Vorst und St. Cornelius in St. Tönis wird in den Ruhestand verabschiedet.

Tönisvorst: In Tönisvorst hat er den Acker gut bestellt
Foto: WZ-Archiv

„Das klappt noch. Ganz so viele Termine habe ich ja nicht mehr“, verrät der 69-Jährige schmunzelnd, als die WZ ihn — sehr kurzfristig — um ein Interview bittet. Und dann blickt er beim Gespräch im Vorster Pfarrhaus auf seine seelsorgerische Tätigkeit in Tönisvorst zurück.

Was hinterlässt Ludwig Kamm? „Einen bestellten Acker — in Vorst und in St. Tönis“, glaubt der Pfarrer. Dabei denkt er nicht etwa an fertiggestellte Neubauten oder notwendige Kirchenrenovierungen, sondern an ganz andere Projekte: die Umgestaltung des Godehard-Festes mit Prozession zu seiner heutigen Form; die Verleihung des Godehard-Preises — „mittlerweile eine Institution“; die Aufwertung des Antoniusfestes; die gut funktionierende Ökumene in Vorst; die Bildung der Godehard-Oktav in Vorst und der Cornelius-Oktav in St. Tönis.

Tönisvorst: In Tönisvorst hat er den Acker gut bestellt
Foto: Friedhelm Reimann

Hat sich die Gemeinde, hat sich die katholische Kirche seit seinem Amtsantritt stark verändert? „Ja, sicher“, antwortet der Geistliche, ohne zu zögern. Das Kirchengebäude stehe zwar immer noch mitten im Dorf. Aber die Präsenz der Kirche sei lange nicht mehr so stark wie vor 27 Jahren. Das könne man an der Zahl der Kirchenbesucher und der Gemeindemitglieder ablesen. Oder an der Zahl der Messdiener: Rund 100 habe es bei seinem Amtsantritt gegeben, aktuell seien es etwa 25.

„Ich finde die Entwicklung schade. Den Menschen fehlt eine Menge, sie verpassen eine Menge.“ Vor allem die Gelegenheit, ein Stück Geborgenheit bei Gott finden zu können. Denn Geiz oder Gier, von denen das Leben bestimmt werde, trage die Menschen irgendwann nicht mehr.

Ludwig Kamm ist oft im afrikanischen Burundi. Dort erlebt er Kirche ganz anders. Im Zachäus-Haus könnten die jungen Leute nicht verstehen, wie man ohne Gott leben könne. Und zu Gottesdiensten der Schönstatt-Bewegung in Bujumbura, die er erlebt hat, seien tausende junge Leute gekommen.

In Deutschland dagegen ist selbst die Zahl der Priester dramatisch gesunken. Macht ihm diese ganze Entwicklung keine Sorge? Doch, antwortet der Pfarrer, denn die Bistümer hätten alle kein Konzept dagegen — oder richtiger: „Jedes Bistum hat ein anderes Konzept.“

Mit seiner Meinung hat Ludwig Kamm nie hinterm Berg gehalten. Wenn’s aus seiner Sicht notwendig war, eckte er an. „Das wusste man auch in Aachen.“ Ebenso aber in Tönisvorst, wo der Stadtrat schon mal den Bürgermeister damit beauftragte, ein klärendes Vier-Augen-Gespräch mit dem Pfarrer zu suchen, nachdem der sich kritisch über einen prominenten CDU-Politiker und dessen Grundstücksgeschäfte geäußert hatte. In einem anderen Fall flatterten ihm regelmäßig anonyme Briefe ins Haus, bis er diese im Pfarrbrief öffentlich machte. Danach war Ruhe.

Mehr Ruhe will sich Ludwig Kamm in Zukunft gönnen: Im Juli und August hat er so gut wie keine Termine, der nächste Flug nach Burundi ist für den 14. Dezember gebucht: Erstmals wird er Weihnachten in Afrika verbringen. Seine Arbeit als Gemeindepfarrer ließ das bisher nicht zu.

Kamm verstand sich immer als Seelsorger, der für seine Gemeindemitglieder da sein will. „Ich hatte dabei das Glück, in Vorst und später auch in St. Tönis gute stellvertretende Vorsitzende im Kirchenvorstand zu haben.“ Dadurch sei ihm viel von der organisatorischen Arbeit abgenommen worden.

Was Ludwig Kamm freut: Das ehrenamtliche Engagement in den Gemeinden sei sehr groß — vor allem in Vorst. Das macht ihm auch für die Zukunft Mut, in der sich die Gemeinschaft der katholischen Gemeinden in Kempen und Tönisvorst völlig neu organisieren muss. Er selbst wird sich hier als Subsidiar einbringen, sein Wohnort wird ab August an der Mülhauser Straße in Kempen sein.

Mit dem Aufräumen im Pfarrhaus in Vorst hat Ludwig Kamm schon begonnen: Ein ganzer Stapel uralter Disketten wanderte in die Tonne. Parallel dazu widmet er sich noch den vertrauten Pflichten. So arbeitet er derzeit am nächsten Vorster Pfarrbrief. „Das werden in Zukunft wohl die Pfarrsekretärinnen übernehmen müssen.“ Im nächsten Monat werde er ihnen zeigen, was dabei zu tun ist.

Zunächst einmal wird aber Abschied gefeiert. Ein großes Programm ist dazu vorbereitet worden, das am Sonntag mit einem festlichen Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Godehard beginnt. Erzbischof Simon aus Burundi hat sein Kommen zugesagt. Los geht’s wie vor 27 Jahren um 15 Uhr.