Landtag Oppositionsführer empfiehlt Laschet Karriere beim “Tatort”

Düsseldorf · Bei der dritten Lesung zum Haushalt 2020 im NRW-Landtag kann jeder mal loswerden, was er denkt. Kutschaty rät dem Ministerpräsidenten zu zweitem Standbein im Showgeschäft.

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Der nordrhein-westfälische Landtag verabschiedet an diesem Mittwoch den Haushalt für das Jahr 2020. Am Rande. Denn das Zahlenwerk stand zuvor fest - traditionell gerät die dritte Lesung allerdings im Plenum zu einer großen Befindlichkeitsrunde: Jetzt sagen wir uns alle gegenseitig mal, was wir einander schon immer sagen wollten. Und das kann auch in der Politik höchst unterhaltsam sein.

Gelächter aus dem ganzen Rund der Abgeordnetenbänke erntet Oppositionsführer Thomas Kutschaty, Fraktionsvorsitzender der SPD, als er Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bekundet, er gönne ihm den Ruhm durch einen geplanten Auftritt im TV-Krimi “Tatort”, für den dieser bereits einen Arbeitstag lang vor der Kamera gestanden habe. “Ich kann Sie für Ihre Zukunftsplanung nur ermutigen, auf ein zweites Standbein zu setzen”, erklärt Kutschaty und frotzelt weiter: “Tatort statt Tatkraft ist wohl das neue Motto Ihrer PR-Abteilung.” Dschungelcamp und “Let’s Dance” - er sei gespannt, was nach 2022 da noch alles komme.

Weniger witzig indes findet Kutschaty, wenn für diese persönliche PR in der Staatskanzlei zig neue Stellen seit der vergangenen Landtagswahl geschaffen würden - 67 seien es inklusive dem Haushalt 2020. “Sie grasen ja alles ab, was in Junge-Union-Geschäftsstellen zu finden ist”, wirft der SPD-Mann Laschet vor; in diesen sähe es schon aus wie in einem verlassenen Saloon im Wilden Westen.

Persönliche Seitenhiebe bekommt der Ministerpräsident auch von Monika Düker, Fraktionschefin der Grünen, die ihn konsequent den “Kronprinz der Kanzlerin” nennt. Vor allem aber tun SPD und Grüne alles, um die Leistungsbilanz der schwarz-gelben Koalition insgesamt madig zu machen. Kutschaty verweist auf die zementierten Probleme beim Lehrermangel, Qualitätsmängel in den Kitas, die Wohnungsnot. Er hält Laschet ein Scheitern in der Energie- und Wirtschaftspolitik am Beispiel Tesla vor, das sein Werk in Brandenburg statt NRW bauen will - weil der Konzern für die Produktion grünen Strom benötige, den es an Rhein und Ruhr auf Sicht nicht geben werde. Zu den Kitas bietet der SPD-Politiker Laschet einen Gegentausch an: Würden die Kita-Gebühren komplett abgeschafft, nähmen die Sozialdemokraten das Wort Grunderwerbssteuer nie mehr in den Mund.

Auch Grünen-Frau Düker stürzt sich auf die Energiepolitik und das erst am Vortag von Fachminister Andreas Pinkwart (FDP) vorgestellte “Entfesselungspaket V”, das statt eines Pakets eher eine “kleine Weihnachtspostkarte” sei. Sie fasse nicht, dass die “Anti-Öko-Koalition” noch immer glaube, für Wirtschaftswachstum müssten Umweltstandards erodiert werden - wo doch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte im Bund um CO2-Preis und Co. längst klar sei, dass in Zukunft erfolgreiches Wirtschaften ohne Rücksicht auf Umweltschutz nicht mehr möglich sei. Christof Rasche von der FDP hingegen wirft Düker “Lobbyarbeit hoch zehn” vor, weil sie Umweltschutz fordere, aber Wald zugunsten von hochprofitablen Windrädern roden wolle.

Bodo Löttgen, Fraktionschef der CDU, erteilt allen rot-grünen Investitionsträumen eine Absage: Die schwarze Null und eine Politik von Maß und Mitte sieht er als Rezept für eine Zukunft des Wohlstandes. Der Vorgängerregierung rechnet er vor, wie viel mehr die schwarz-gelbe Koalition ohnehin investiert, als Rot-Grün in seinem letzten Haushalt 2017: 2,1 Milliarden Euro mehr für Schule und Bildung, eine halbe Milliarde mehr für die Polizei, 2,1 Milliarden mehr für die Kommunen, 450 Millionen Euro mehr für Infrastruktur. “Nur bei der Schuldenverwaltung gibt es ein Minus”, so Löttgen vielmeinend - und zwar 450 Millionen Euro weniger.

Auch Laschet bläst in dieses Horn: “Wenn man Schulden macht, muss irgendwer die Zinsen zahlen”, warnt er. Trotz aller Bemühungen aktuell noch so viel, dass stattdessen mehr als 30 000 Lehrerstellen davon finanziert werden könnten. Kutschaty wirft er vor, noch vor einem Jahr mehr Tempo beim Schuldenabbau gefordert zu haben und jetzt plötzlich mehr Schulden bei günstigem Zinsniveau machen zu wollen. “Das ist doch der Grund, warum Sie da stehen, wo Sie stehen - in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen: Weil Sie keine Linie haben!” Die “Knallerbsen und Platitüden” aus der Opposition könnten nicht verhehlen: “Es hat einen Wandel in diesem Land gegeben und das spüren die Menschen.”

Bei allem Zwist erlebt der Landtag in dieser Vorweihnachtswoche auch einen einenden Moment, als Thomas Kutschaty sich in seinem “Was ich euch allen immer schon mal sagen wollte” an die AfD wendet. “Ihre Partei ist der politische Arm des antisemitischen Rechtsradikalismus in Deutschland”, ruft er den Fraktionsmitgliedern zu. Wer die “Deportations- und Gewaltfantasien eines Faschisten” und Björn Höcke als Politiker in seinen Reihen dulde, der dürfe sich nicht konservativ nennen. “Die Anständigen haben Ihre Partei längst verlassen und die Verbliebenen müssen sich fragen, warum sie immer noch dabei sind.” An dieser Stelle applaudiert auch eine Reihe von CDU- und FDP-Abgeordneten dem Oppositionsmann.