Agnes W. – ihre Leiden und Helfer

Eine Bande demütigte und schlug die 81-Jährige. Was ist aus Agnes W. geworden, wer half ihr aus dem Trauma?

Mönchengladbach. Agnes W. hat die schrecklichen Ereignisse aus Qualen und Demütigungen verdrängt. Doch abstreifen wie ein Kleidungsstück kann sie nicht, was ihr die "Speicker Bande" im Sommer angetan hat. Über die Schläge und die Schmach spricht sie kaum noch, wenn sich die bundesweit als "Oma Anges" unfreiwillig bekannt gewordene 81-Jährige mit Nachbarn, Betreuern und den helfenden Menschen unterhält. Mit denen, die ihr aus dem gröbsten Schlamassel geholfen haben. Und wenn es nur materielle Hilfe war.

Agnes W., diese kleine, zierliche, fast erblindete Frau, ist zutiefst dankbar, dass es Mitmenschen gab, die nicht nur redeten. Die selbst halfen oder den Anstoß gaben, dass ihr geholfen wurde. Es meldeten sich nach den brutalen Übergriffen der Fünf- bis 19-Jährigen auf die Seniorin so viele, die so empört waren und sagten, dass ihnen das alles sehr leid tut.

"Als wir im Internet die WZ-Berichte über Agnes W. und ihre Peiniger gelesen haben, hat uns die Wut gepackt", sagt beispielsweise Oliver Coy. "Dass man mit älteren Menschen so umgeht, und dass zu wenig für ,Alte’ getan wird." Coy, der im Hessischen wohnt und nicht selten im Bekanntenkreis über Gott und die Welt redet, fühlte Verantwortung.

Der 46-Jährige wollte ein Signal setzen - "nur helfen". Er sammelte 260 Euro. Dann wandte er sich an alle Gladbacher Parteien, wie er sagt. Seine Bitte: "Können Sie mir sagen, wie wir Agnes W. helfen können?" Lediglich die Senioren-Gruppe der Bündnis-Grünen, die grauen Grünen um Sprecher Winfried Schulz, meldeten sich. Sie sprachen miteinander, verabredeten, was mit der Summe getan werden kann.

Weil bei den Exzessen die alte Einrichtung der Speickerin so stark beschädigt und beschmiert wurde, wurden beim Möbelmarkt des Volksvereins erst einmal gebrauchte Sessel und eine Couch gekauft. Doch auch die Opferhilfe Weißer Ring und die GEM packten mit an, als es darum ging, den Teppichboden in der Wohnung an der Bahnstraße gründlich zu reinigen, eine Schlafzimmer-Einrichtung zu besorgen und die Räume zu renovieren.

Der Betreuer von Agnes W., die nur eine kleine Rente bekommt, blitzte beim Stadtsozialamt ab mit der Bitte um finanzielle Hilfe. Man sei lediglich bereit, einen Kredit zu geben, hieß es dort.

Nach dem schrecklichen Sommer wurde für die 81-Jährige eine Art beschützendes Hilfssystem aufgebaut. Nachbarn, ein Pflegedienst sorgen sich um sie, es wird Essen von Rädern serviert. "Agnes W. geht es fast wie vorher", meint ein vom Gericht verpflichteter Betreuer.

Aber es blieben seelische Wunden, und sie sei gebrechlicher als füher. Ob sich einer aus der zehnköpfigen Bande bei der Speickerin entschuldigt hat? "Nein, aber sie und wir wollen auch überhaupt keinen Kontakt mehr."

Den hatte es vor dem verheerenden Geschehen gegeben. Probleme gab es selten. Kinder und Jugendliche gingen gerne mal eben zu Agnes W.. "Da konnte man ungestört eine rauchen." Doch als man ihr eine Uhr stehlen wollte, warf die Speickerin die Jugendlichen aus der Wohnung. Die rächten sich auf brutale Weise. Tagelang.

Ende Januar will die Staatsanwaltschaft sagen, ob sie gegen drei Jugendliche Anklage erhebt oder nicht. Sieben aus der Bande sind unter 14 und damit strafunmündig.

Folgen Die Gladbacher Staatsanwaltschaft entscheidet Ende Januar, ob sie gegen drei Jugendliche Anklage erheben wird. Agnes W. will nicht klagen. Sieben aus der Speicker Kinder- und Jugendbande (fünf bis 19 Jahre) sind strafunmündig.

Hilfe Beim Stadtsozialamt wollte man Agnes W. nur einen Kredit geben. Mehr sei nicht möglich. Die Seniorin lebt nicht von der Sozialhilfe, ihr finanzieller Spielraum ist aber klein, sagt ein Betreuer.