Die Sucht zu kaufen – die Suche nach Leidensgenossen

Eine Geistenbeckerin will in einer Selbsthilfegruppe gegen Schulden und Shopping-Drang angehen.

Mönchengladbach. Sie kauft nicht, weil sie möchte, sondern weil sie muss. Sie beschenkt Freunde und Familie zwar aus Liebe. Aber es geschieht unter Zwang und über ihre finanziellen Möglichkeiten hinaus. Sie hat gerade erst 30000 Euro Schulden überwunden und schon wieder ein Minus von 13000Euro aufgebaut. Den Dispo ihres Girokontos hat sie wieder über Weihnachten komplett überzogen. Und sie kauft, kauft, kauft.

Mara L. (der Name wurde von der Redaktion geändert) ist kaufsüchtig. Bei der Arbeit weiß es nur eine Kollegin, die der 32-jährigen IT-Spezialistin eine wahre Freundin ist und mit ihr die Höhen und Tiefen des mal mehr mal weniger starken Kaufdrangs durchlebt. Ihre Freunde wissen Bescheid, der Lebensgefährte und die Familie. Aber auch sie schaffen es nicht immer, die Geistenbeckerin davon abzuhalten, im Internet oder bei Versandhäusern Kleidung, Möbel oder Haushaltsgeräte zu bestellen. Und jeder Streit über das Thema kann wieder den Strudel auslösen: den Strudel des Einkaufsrauschs. Aus dem dringenden Wunsch, sich selbst etwas Gutes zu tun.

"Zuletzt habe ich eine Waschmaschine gekauft, obwohl meine noch völlig in Ordnung war," erzählt die Mönchengladbacherin, "oft kaufe ich zum Beispiel Kleidungsstücke gleich doppelt oder dreifach in allen möglichen Farben."

Die junge Frau weiß, dass ihr Verhalten nicht normal ist. Aber das ist die Krux an allen Arten von Süchten: Man kann vieles wissen und es doch nicht ändern. Eine Therapeutin aus Mönchengladbach hat Mara sehr geholfen.

Nach drei Jahren finanzieller Unterstützung übernimmt ihre Krankenkasse die Kosten nicht mehr. Nun muss sie erst einmal zwei Jahre pausieren oder die 50 Euro pro Therapie-Einheit selbst bezahlen. "Das sind 200 Euro im Monat, die hab ich nicht", sagt sie und zählt auf, dass sie noch Kredit eins mit 91 Euro im Monat, Kredit zwei mit 132 Euro monatlich und die Waschmaschine mit Raten in Höhe von 37 Euro abbezahlen muss.

Sie ist gerade mit ihrem Freund zusammengezogen und hat gleich mit einem Trockner und einem großen Gefrierschrank zugeschlagen, wenn der Freund abends arbeiten war und nichts mitbekam. Von ihrem Gehalt bleiben ihr nach Abzug von Miete, Auto-Leasing-Vertrag und anderem 100 Euro für Lebensmittel. "Aber ich komme klar." In emotional guten Zeiten versucht sie, einige ihrer angesammelten "Waren" wieder im Internet zu verkaufen und so zu Geld zu kommen.

Als Unterstützung statt der Therapie setzt die Mönchengladbacherin jetzt auf eine Selbsthilfegruppe. Sie hat sie angestoßen, indem sie sich getraut hat, sich an die Informationsstelle für Selbsthilfe des Paritätischen in Rheydt zu wenden. "Ich will ja aufhören, aber es ist sehr schwer." In der Gemeinschaft hofft sie, mit ihren Problemen fertig zu werden.

Dort begegnet sie anderen Betroffenen, die aus den unterschiedlichsten Gründen kaufsüchtig sind. Eine Frau, deren Kindheit extrem lieblos war, eine Alleinstehende, die nie einen Partner hatte und sich nach Liebe und Glück sehnt, das sie nun in Form von Kauf-Exzessen zu ersetzen versucht.

Mara weiß auch, warum sie selbst kaufsüchtig geworden ist. "Mein Großvater hat mich vom fünften bis zwölften Lebensjahr missbraucht", sagt sie und schließt das Thema gleich wieder ab.

Die Informationsstelle für Selbsthilfe an der Friedhofstraße 39 ist telefonisch zu erreichen unter Tel. RY9239-30 oder Mail an kiss@pariteam-mg.de