Einzelhandel: Wir sind sauer, stinksauer

Am Volksgarten versammeln sich Streikende zum landesweiten Protest. Droht ein weiterer Stellenabbau?

Mönchengladbach. Dicht an dicht stehen die Reisebusse am Rand des Volksgartens, in großen Gruppen strömen deren Mitfahrer zur Rückseite der Zentrale der SB-Warenhaus-Kette Real. Die Gewerkschaft Verdi hat die Beschäftigten des Einzelhandels zu landesweiten Streiks aufgerufen - und viele sind gekommen, um auch dem Verdi-Bundesvorsitzenden Frank Bsirske zuzuhören. Während die Polizei von mehr als 2500 Teilnehmern spricht, tippt Real-Sprecher Markus Jablonski "auf rund 700". Möglicherweise hat Klaus Glier, er ist Verdi-Sekretär, richtig gerechnet: "Die Resonanz ist prima, gut 2000 Leute sind hier, und die stehen wegen der endlosen Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern mächtig unter Dampf. Die sind sauer, stinksauer."

"Unsere Ansprüche sind wahrlich nicht die höchsten", klagt etwa Elisabeth Dohmen, ausgestattet mit Streikweste und Trillerpfeife. "Aber allmählich bekommen wir Angst um unsere Arbeit. Obwohl die Lebenshaltungskosten weiter ansteigen, werden die Löhne niedriger. Dass viele von uns neben der Arbeit noch Hartz IV beantragen müssen, ist ein Skandal."

Dohmen arbeitet im Real-Markt an der Krefelder Straße. Genau wie Dirk Höfgen. Der Mitarbeiter der Elektoabteilung sagt: "Ich kann nicht auf Zuschläge verzichten." Höfgen spricht aus, was die Mitdemonstranten vom Niederrhein, aus dem Sauerland, dem Ruhrgebiet denken: "Ich möchte, dass meine Arbeit gewürdigt wird." Auch Gabi Rauschen arbeitet in Gladbach bei Real. Sie kämpft um einen "guten Tarifvertrag".

"Die Hoffnung darauf habe ich, sonst wäre ich nicht hier. Wir geben immer 100 Prozent, bekommen aber immer weniger."

Bsirske, der sich überraschend lange mit den Streikenden unterhält, geißtelt die Top-Manager-Gehälter auf der einen und die "Hungerlöhne" der Einzelhandelsmitarbeiter auf der anderen Seite.

Real-Sprecher Jablonski kritisiert die Gewerkschaft, dass sie ausgerechnet im Vorweihnachtsgeschäft zu Streikmaßnahmen greift. "Die, die nicht streiken, werden bestraft." Real setzt in seinen Häusern Leiharbeiter ein - die Kunden sollen vom Streik nichts mitkriegen. Tatsächlich läuft fast alles wie gewohnt. Lediglich in der Käseabteilung sind keine frischen Extrawünsche möglich. In den Regalen liegt nur Abgepacktes.

Tarif Die Gewerkschaft fordert 4,5 Prozent mehr Lohn, ein Mindesteinkommen von 1500 Euro für eine Vollzeitstelle und eine Mindestbesetzung von Filialen. Die Arbeitgeber bieten 1,7 Prozent mehr, wollen die Zuschläge kappen. Zuschläge seien antiquiert, meinen sie.

Beispiel: Eine Verkäuferin bekommt ab 20 Uhr einen 55-prozentigen Nachtzuschlag. Das sind monatlich brutto etwa 180 Euro.