Demo von Karstadt-Beschäftigten Frust und Ärger bei Karstadt
Rheydt. · Nach dem Schock über das verkündete Karstadt-Aus in Rheydt werden die Beschäftigten nun aktiv. Jeden Mittwoch und Samstag wollen sie gegen die Schließung der Filiale protestieren. Dabei hoffen sie auf Unterstützung.
Michael Ihde arbeitet seit 41 Jahren für Karstadt in Rheydt. Er hat dort seine Ausbildung gemacht, dort seine spätere Frau kennengelernt, und er ging mit dem Unternehmen durch Höhen und Tiefen. „Das ist hier nicht nur Arbeitsstätte, das ist mehr. Wir sind wie eine Familie“, sagt Ihde, der im Bereich Schauwerbung arbeitet. „Wir haben auf Lohn und Arbeit verzichtet, um bleiben zu können. Und jetzt das. Es ist schon traurig, dass man uns nur ausgenutzt hat.“
Michael Ihde ist mit vielen Kollegen am Mittwoch auf die Straße gegangen, um gegen die Schließung der Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof zu protestieren. Denn die Beschäftigten sind nach dem ersten Schock über die Nachricht von der Schließung sauer. Für Andrea Peters, die seit 34 Jahren bei Karstadt arbeitet und als „Mutter der Filiale“ gilt, ist vor allem die Ungewissheit das Schlimmste. Niemand wisse genau, wie es jetzt weitergeht. „Einmal hieß es, die Filiale wird zum 31. Oktober geschlossen, dann zum 31. Dezember. Es kommen ständig neue E-Mails“, sagt sie. Auch für Ramona Stellmach ist es schlimm, nicht zu wissen, was passiert. Sie denkt auch an Kollegen: „Es gibt auch viele Beschäftigte, die alleinerziehend sind.“
Dass die Karstadt-Filiale in Rheydt schließen muss, können viele Mitarbeiter nicht verstehen. Corona und der Lockdown hätten natürlich einen Einbruch gebracht, aber sonst seien die Umsätze gut, sagt Ihde. Es gebe sehr viele Stammkunden. „Und in manchen Bereichen haben wir sogar so günstige Angebote, dass auch die Online-Anbieter nicht mehr mitkommen“, sagt Claudia Arikan, Verkäuferin in der Spielwarenabteilung. Wie sie haben viele Angestellte dem Haus trotz aller Ungewissheit die Treue gehalten. Andrea Dautzenberg hat Karstadt sogar vor fast 44 Jahren mit eröffnet.
Umso unverständlicher die Gründe, die das Unternehmen in Essen für die Schließung der Filiale nennt: „Die Verbindung von überdurchschnittlich hohen Mieten und soziodemografischen Standortnachteilen sowie anhaltend geringer Frequenz und Kaufkraft ermöglicht (...) leider weiterhin keine wirtschaftliche Fortführungsperspektive.“ Während des Lockdowns zahlte Galeria Karstadt Kaufhof keine Miete in Rheydt, unter dem Schutzschirm auch nicht. Vorher sollen es nach Informationen unserer Zeitung etwas mehr als drei Euro pro Quadratmeter gewesen sein.
Offizielle Informationen über
die Zukunft gibt es nicht
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi übt scharfe Kritik am Konzern wegen des Umgangs mit den Beschäftigten im Rheydter Haus: „Die ganze Situation ist ein riesiger Horror, diese Unsicherheit zermürbt die Kollegen“, sagt Dominik Kofent, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Linker Niederrhein. Eine offizielle Information des Unternehmens, wie lange der Betrieb bei Karstadt in Rheydt noch fortgesetzt werde, gebe es bisher nicht. Die Beschäftigten hätten gute Ideen, wie man Karstadt anders aufstellen könnte.
Zur Schließungsankündigung hätten im Wesentlichen zwei Gründe beigetragen: die allgemeine Situation einer jeweiligen Filiale und die Perspektiven einer Stadt, was die erwartete Entwicklung der Kaufkraft und Demografie angeht. Die Kaufkraft-Entwicklung sei in Mönchengladbach sicher nicht vergleichbar mit Düsseldorf. „Ich finde diese Argumentation aber schwierig. Mönchengladbach hat mit seinen zwei Innenstädten in einer Stadt seinen Reiz.“
Kofent kündigte an: „Wir werden weiter für Karstadt in Rheydt kämpfen.“ Sollte es doch zu einer Schließung kommen, dann solle es eine Transfergesellschaft für die Beschäftigten geben, in der sie sechs Monate weiter beschäftigt und in dieser Zeit beruflich weiter qualifiziert werden, so Kofent.
Die 88 Karstadt-Mitarbeiter aus Rheydt haben eine Petition für den Erhalt des Hauses gestartet. An den Eingängen und an den Kassen von Karstadt liegen Unterschriftenlisten aus, in denen sich Kunden und Unterstützer eintragen können. Außerdem wollen die Mitarbeiter im Juli jeden Mittwoch und Samstag eine Aktion starten, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.
Bei dem Demo-Zug durch die Rheydter City erfuhren die Beschäftigten schon viel Zuspruch. Verkäuferinnen aus anderen Geschäften hoben die Daumen, Bürger zeigten durch Klatschen Solidarität. „Wir kämpfen ja nicht nur für uns, wir kämpfen auch für unsere Kunden“, sagt Betriebsratsvorsitzende Denise Poschmann.
Auch SPD-Mitglieder waren zu der Protestaktion gekommen. Bürgermeister Ulrich Elsen hält es für einen Fehler, dass in Essen beschlossen wurde, die Rheydter Filiale zu schließen. Dies sei nicht nur ungerecht gegenüber den Mitarbeitern, sondern auch ökonomisch nicht vernünftig. Rheydt sei ein Stadtteil, der auf dem Weg zu einer guten Entwicklung sei. Das sehe man schon gleich vor dem Warenhaus, wo es einen der schönsten Wochenmärkte am Niederrhein gebe. Aber auch das geplante neue Rathaus mit 1500 Arbeitsplätzen biete Perspektiven.