Abschiebungen Wüst zur Asyl-Debatte: Analyse ist längst da - jetzt handeln
Düsseldorf · Die Bluttat von Aschaffenburg hat die Debatte über Abschiebungen von Flüchtlingen angeheizt. Auch der NRW-Ministerpräsident fordert Konsequenzen - und zwar schnell.
Kontrollen an den deutschen Grenzen und Zurückweisungen aller illegal Einreisenden sind aus Sicht des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) vertretbar. Solange die europäischen Vereinbarungen zum Schutz der Außengrenzen und zur Verteilung der Asylsuchenden nicht eingehalten würden, müsse es andere Lösungen geben. Der NRW-Regierungschef unterstützte damit ausdrücklich entsprechende Vorschläge von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz.
Rückkehr zum „Schlagbaum“ als Interimslösung?
Niemand wolle dauerhafte Grenzkontrollen oder fordere Grenzschließungen, sagte Wüst bei seinem Jahresausblick in Düsseldorf. Aber die Menschen verlangten nicht zuletzt nach der tödlichen Messer-Attacke auf eine Kindergartengruppe jetzt Antworten. „Deswegen steht die Christdemokratie natürlich hinter diesen Vorschlägen.“
In Aschaffenburg waren am Mittwoch ein zweijähriger Junge und ein 41-jähriger Mann getötet sowie drei Menschen schwer verletzt worden. Verdächtig ist ein 28-Jähriger mit afghanischer Staatsangehörigkeit, der ausreisepflichtig war.
„So, wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben“, sagte Wüst. „Das heißt anders herum: Es muss sich was ändern. Und zwar schnell.“ Wenn die europäischen Systeme nicht funktionierten, „können wir doch nicht achselzuckend dasitzen“.
Es sei Aufgabe des Bundes, für mehr Rückführungen zu sorgen, unterstrich Wüst. Nach Angaben der Bundespolizei kämen Hunderttausende in Mitteleuropa an, die nicht einmal registriert worden seien. „Dieses System funktioniert nicht.“
Viel geredet, wenig passiert
NRW habe schon nach dem tödlichen Messerangriff in Solingen im vergangenen August ein umfangreiches Sicherheitspaket geschnürt. Leider sei der Bund bei vielen Forderungen nicht mitgezogen, bemängelte Wüst. Die Analyse der Probleme liege nach unzähligen Debatten - auch in Ministerpräsidentenkonferenzen - längst auf dem Tisch. Jetzt müsse gehandelt werden.
Das Thema könne auch nicht aus dem Bundestagswahlkampf ausgeklammert werden. Schließlich sei das Thema im Gespräch - nach Aschaffenburg auch in Kindergärten. „Politik muss Antworten geben auf die Sorgen und Nöte der Menschen“, unterstrich Wüst. Vermeintlich einfache Antworten dürften nicht Parteien an den Rändern überlassen werden.
Grüne sind bereit zu Korrekturen in der Migrationspolitik
Vize-Regierungschefin Mona Neubaur betonte, nun sei umfassend aufzuklären, „ohne dass wir in einen pietätlosen Aktionismus verfallen“. Aus möglichen Fehlern oder Versäumnissen müssten auch Lehren für die Integrations- und Migrationspolitik gezogen werden, sagte die Grüne.
„Die Bereitschaft nachzusteuern, wo es in der Sache notwendig ist, muss gegeben sein. Und ich kann das für uns hier sagen, es ist an der Stelle auch gegeben“, versicherte Neubaur. Die Grünen leiten in der NRW-Koalition das Ministerium für Flucht und mussten mit dem Sicherheitspaket nach dem Solingen-Anschlag bereits hart an ihre Grenzen gehen.
Wüst warnt vor amerikanischem Wahlkampf
Wüst mahnte einen fairen Bundestagswahlkampf an, bei dem die Parteien bei allen Meinungsverschiedenheiten gesprächsfähig bleiben. Der Stil des amerikanischen Wahlkampfes sei nicht beispielgebend. „Wir sollten schon selbstbewusst sagen, dass wir eine andere politische Kultur haben und die auch pflegen.“
US-Strafzölle würden NRW-Wirtschaft empfindlich treffen
Neubaur legte die möglichen Konsequenzen einer aggressiven amerikanischen Handelspolitik unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump dar. Mit einem Handelsvolumen von rund 33 Milliarden Euro gehörten die USA zu den wichtigsten Handelspartnern Nordrhein-Westfalens. Deshalb seien politische Weichenstellungen sowohl in NRW als auch in Berlin und Brüssel nötig, um widerstandsfähiger zu werden.
„Sollte es Strafzölle auf Waren aus der EU geben, wäre das auch für die nordrhein-westfälische Wirtschaft eine enorme Belastung“, sagte Wüst. Er kündigte an, dass NRW künftig einen größeren Beitrag zur Stärkung der Bundeswehr und der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands leisten werde. Das Land werde Rüstungsunternehmen noch stärker unterstützen, etwa bei Forschung zu innovativer Wehrtechnik, der Fachkräftegewinnung oder der Spionageabwehr
Die schwarz-grüne Landesregierung will darüber hinaus an ihrer stark auf Wasserstoff setzenden Kraftwerksstrategie und am vorgezogenen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis 2030 festhalten - obwohl noch keine Ersatz-Gaskraftwerke in Planung sind. Bei der Energiewende sieht sie sich auf gutem Weg. Beim Ausbau der Windkraft habe NRW heute schon die Ziele für das Jahr 2030 zu fast 80 Prozent erfüllt.
Sind Windräder hässlich?
Merz hatte Windräder kürzlich hässlich genannt. „Energiepolitik entzieht sich von jeher per se einer ästhetischen Debatte“, meinte Wüst. Weder Kraftwerke noch Braunkohlelöcher seien schön. Und man müsse weder Solardächer noch Windräder attraktiv finden.
„Wenn wir alles nicht machen, was man nicht schön findet, (...) dann gibt es kein Licht mehr“, stellte der CDU-Politiker fest. „Ob ich jede Art der Energieerzeugung schön finde, weiß ich auch nicht so genau, aber in einem Land, das viel Energie verbraucht, müssen wir irgendetwas, das wahrscheinlich immer irgendjemand nicht schön findet, wohl tun.“
© dpa-infocom, dpa:250124-930-353986/3