Radfahrer aus Grevenbroich “Ich klebe mich nicht fest, ich fahre los“

Grevenbroich · Im kommenden Jahr wird Klaus Lüttgen sich zum wiederholten Mal für eine extreme Radtour in den Sattel schwingen. Diesmal geht es für den Grevenbroicher in die USA. Sein Ziel: der Natur eine Bühne geben.

Klaus Lüttgen an einem ausrangierten Eisenbahnwaggon auf einem Rastplatz in der Eifel.

Foto: privat

In der Wohnung von Klaus Lüttgen steht eine leere Flasche Asbach Uralt. Seit Jahren sammelt der 65-Jährige darin Münzen: Er spart auf seine nächste große Reise nach Nordamerika. „Die Goldgräber, die Pioniere, all das hat mich schon als kleiner Junge fasziniert“, erzählt er. Das Besondere: Lüttgen wird mit dem Fahrrad unterwegs sein, rund 9500 Kilometer und sechs Monate lang.

Auf dem Sattel ist Lüttgen eigentlich schon ein alter Hase. 2011 machte er sich zum Beispiel mit 300 Karnevals-Orden im Gepäck auf dem Rad auf den Weg durch Alaska. Dabei wurde er sogar von einem Fernsehteam begleitet, die Doku lief in der „Aktuellen Stunde“ beim WDR. Damals ging es ihm auf seiner Tour um die Versöhnung mit seinem Vater, von dem er rund 20 000 der Orden geerbt hatte. In Alaska verschenkte er sie an Menschen, die seinen Weg bereichert haben. Auf seiner neuen Reise, die er im April 2025 antreten will, geht es ihm um ein anderes Thema: die Natur.

„Als Mitarbeiter bei den Grünbetrieben habe ich beruflich oft mit Müll zu tun“, erzählt er. „Ich sehe, wie achtlos das Thema von vielen Menschen behandelt wird.“ Eine einzelne Zigarette könne beispielsweise ganze 1000 Liter Trinkwasser verseuchen. Es gibt viele Möglichkeiten, auf dringende Themen aufmerksam zu machen. „Ich klebe mich aber nirgendwo fest, ich fahre los“, sagt Lüttgen. Auf seiner Reise möchte er ein großes Ei auf seinen Gepäckträger schnallen, als Zeichen für den Neuanfang. Darin wird er sein ganzes Gepäck aufbewahren.

90 Zentimeter lang und etwa 50 Zentimeter breit soll das Ei werden und gerne aus nachhaltigem Material wie Sperrholz bestehen. „Wenn es jemand gibt, der sich mit dem Bau von solchen Konstruktionen auskennt, freue ich mich über Unterstützung“, sagt Lüttgen. Gerne könne das Ei auch als Werbefläche genutzt werden. Lüttgen sei offen für Ideen.

Auf dem Gepäckträger: ein großes Ei als Symbol für den Neuanfang

Das Ei hat eine weite Reise vor sich. Am östlichsten Zipfel Amerikas, dem Cape Spear, soll es losgehen. Dann geht es über sechs Staaten der USA und sieben Provinzen in Kanada bis nach Tuktoyaktuk, einer Ortschaft in Kanadas Nordwest-Territorien mit weniger als 1000 Einwohnern. Dort gibt es noch sogenannte Pingos, im Permafrost entstandene Erdhügel. Durch die Klimaerwärmung bildet sich der Permafrost zurück. „Die Pingos werden irgendwann nicht mehr da sein“, sagt Lüttgen.

Wenn er und sein Ei in Tuktoyaktuk ankommen, wird es idealerweise voller Botschaften sein. Lüttgen möchte auf seiner Reise Halt an den Universitäten von St. John und Ottawa machen und mit klugen Köpfen vor Ort sprechen. „Mit meinem nicht vorhandenen Englisch“, fügt er lachend hinzu.

Denn wenn Lüttgen anderen Extrem-Radfahrern eines voraus hat, dann ist das sein Mut. Und seine Fähigkeit, gelassen mit schwierigen Situationen umzugehen. „Ich habe kein Problem damit, jemanden auf der Straße zu fragen, ob er mir eine Zange leihen kann“, sagt er. „Manchmal muss man eben improvisieren.“

Lüttgen bezeichnet sich als keinen großartigen Radfahrer, im Verein war er nie. Seine Fahrräder schraubt er oft aus verschiedenen Bauteilen zusammen. Außerdem merke er, dass es mit jedem Jahr schwieriger werde, sich aufzubauen. Gerade kommt er von einer siebentägigen Tour durch Belgien, Luxemburg und die Pfalz zurück, auf der er sich auf seine Nordamerika-Tour vorbereitet hat. „Ich werde noch viel trainieren müssen“, resümiert er. „Aber ich habe erleichtert festgestellt, dass der Kopf noch funktioniert. Für so eine Reise braucht man nämlich auch die richtige Einstellung.“

Und apropos Einstellung: Eine Botschaft ist Lüttgen ganz besonders wichtig. „Tausend Feuer können uns nicht schaden, wenn wir die Gitarre nehmen und uns drumherum setzen“, sagt er. „Aber wir müssen miteinander reden.“

Auf seiner Reise seien sowieso die anderen Menschen das Wichtigste. Ohne sie gehe es nicht. „Ich mache diese Tour nicht nur für mich“, sagt Lüttgen. „Ich möchte alle Menschen mitnehmen, die meine Geschichte verfolgen.“