Meerbusch Wenig Interesse am Freiwilligen Sozialen Jahr
Meerbusch · Junge Leute starten lieber direkt mit Ausbildung oder Studium. Ein FSJ ist auch wegen der geringen Bezahlung kaum mehr attraktiv.
(nes) Eigentlich wollte Vanessa Jansen (19) eine Ausbildung zur Mediendesignerin machen, doch dann kamen ihr Zweifel, ob das wirklich das Richtige sei. Also beschloss sie, erst einmal ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) zu machen, um „der Gesellschaft etwas zurückzugeben, mich zu orientieren und herauszufinden, ob ein sozialer Beruf nicht passender für mich“ sei. Im kommenden Schuljahr wird sie als FSJlerin den Verein „OBV Meerbusch“ bei seiner Arbeit an der Adam-Riese-Schule in Büderich unterstützen. „Ich habe schon ein Praktikum in einem Kindergarten gemacht. Jetzt bin ich gespannt, wie das an einer Grundschule läuft. Ich hoffe, mich selber dabei besser kennenzulernenn, Spaß zu haben und Verantwortung übernehmen zu können“, sagt die 19-Jährige.
Malina Nelissen (17) hat ihr FSJ schon hinter sich. „Wegen Corona konnte ich leider nicht so viele Schulpraktika machen und hatte daher wenige Möglichkeiten, mich zu orientieren“, erzählt sie. Der pädagogische Bereich interessiere sie, und das FSJ sei eine tolle Gelegenheit gewesen, zu schauen, ob das zu ihr passe. Mit Freude hört die pädagogische Leiterin des OBV, Elisabeth Funke, dass Nelissen nun beschlossen hat, ihr Fachabitur zu machen, um im Anschluss eine Ausbildung zur Erzieherin zu absolvieren. „Wenn aus einem FSJ eine Erzieher-Ausbildung resultiert, ist das toll. Hier an der Schule arbeitet schon seit einigen Jahren eine Erzieherin, die als FSJlerin angefangen hat. Das ist eine tolle Motivation für uns“, sagt Funke. Daher unterstützt der Verein auch Interessierte auf ihrem weiteren Weg, zum Beispiel mit einem Dualen Studium.
Bei ihrem weiteren Werdegang wird das FSJ auch Vorteile für Nelissen bringen. „Ich müsste für das Fachabitur in den Schulferien zwölf Wochen Praktika machen. Das fällt für mich weg, weil das FSJ angerechnet wird“, sagt sie.
Für den OBV sind die FSJler, die meist direkt nach der Schulausbildung zum Verein kommen, eine große Bereicherung. „Vom Alter her sind sie noch viel näher an den Kindern als wir. Sie wissen, was angesagt ist, und begeistern die Kinder mit ihrem Engagement“, so die pädagogische Leiterin. Auch für die FSJler hat ihr Einsatz große Vorteile. „Die Freiwilligen machen nicht nur viele Erfahrungen. Während es in einer Ausbildung direkt mit Leistungsdruck weitergeht, können sie hier in aller Ruhe, ohne Prüfungsangst oder Termindruck herausfinden, ob ein pädagogischer Beruf etwas für sie ist oder eben auch nicht.“ Denn auch das komme vor und sei gut so. „Das FSJ ist definitiv kein verlorenes Jahr“, betont Funke. „Und egal in welchen Bereich es hinterher geht, es macht sich gut im Lebenslauf.“
Zehn FSJ-Plätze hat der OBV, verteilt auf acht Schulen und zwei Kitas, in ganz Meerbusch. Für das neue Schuljahr hat der Verein bisher jedoch nur zwei Freiwillige gefunden. Die mangelnde Nachfrage von möglichen FSJlern sei ein grundsätzliches Problem, erklärt Funke. „Für viele ist ein Freiwilliges Soziales Jahr kein Thema mehr. Früher haben viele es als Notlösung genutzt, wenn sie auf einen Studienplatz warten mussten. Das ist jetzt nicht mehr so“, sagt sie. Jetzt würden sich nur noch die bewerben, die wirklich Lust darauf haben. „Aber das hat auch sein Gutes. Denn die sind dann auch wirklich motiviert und engagiert“, fügt die pädagogische Leiterin hinzu. Eine Ursache für das mangelnde Interesse sei sicherlich auch die Bezahlung, die eher einem Taschengeld gleiche. „Es ist traurig, aber ein FSJ muss man sich leisten können. Und da das ein Vollzeitjob ist, kann man auch nicht erwarten, dass die Leute abends noch zusätzlich arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Es ist schade, dass so ein Job nicht richtig gewürdigt wird“, findet Funke. Die Würdigung des Freiwilligen Sozialen Jahres wird sich wohl auch in den nächsten Jahren nicht wirklich verbessern. Die amtierende Ampel-Regierung hat beschlossen, den Etat für die Freiwilligendienste drastisch zu kürzen. 23,7 Prozent der Mittel sollen im Vergleich zu 2023 wegfallen. „Das ist so widersprüchlich. Einerseits wird für Interesse geworben, andererseits werden die Mittel gekürzt. Ich hoffe, dass sich dadurch nicht noch weniger bewerben werden. Das ist die falsche Stelle, um zu sparen“, sagt Funke. Für den Verein könnte das bedeuten, dass er weniger Menschen die Möglichkeit geben kann, ein FSJ zu leisten, was nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Kinder in den Einrichtungen der Stadt ein großer Verlust sei. Im kommenden Schuljahr wird der OBV 1600 Kinder im Meerbuscher Stadtgebiet betreuen. Der Bedarf steigt stetig, denn es ziehen immer mehr junge Familien nach Meerbusch. „Die Schulen wurden damals nicht für eine Ganztagsbetreuung konzipiert, daher stehen jetzt viele Umbaumaßnahmen an. Schon das Thema Mittagessen ist ein Problem. Da muss viel mit Provisorien gearbeitet werden“, so die pädagogische Leiterin. Auch der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung ab 2026 werde noch viele Fragen aufwerfen, fügt Alexander Schauer, Kaufmännischer Leiter des OBVs, hinzu.