Ausbildungsberufe: Immer weniger bewerben sich

Die Industrie- und Handelskammer informierte über Chancen auf dem lokalen Arbeitsmarkt.

Rhein-Kreis Neuss. Eine Checkliste für die Bewerbung, eine Broschüre mit neuen Ausbildungsberufen und ein freundliches "viel Erfolg" gibt Annette Perzylo den Jugendlichen mit auf den Weg.

Die Ausbildungsbeauftragte der Industrie- und Handelskammer (IHK) hat viel zu tun, denn der Andrang ist groß.

Am Mittwoch kam sie mit Auszubildenden ans Rathaus, um im Rahmen der Aktion "Azubis für Azubis" für freie Ausbildungsplätze zu werben.

In diesem Jahr gibt es im Rhein-Kreis Neuss so viele offene Ausbildungsstellen wie selten. "Bis Juni haben wir 2190 Stellen registrieren können", sagt Anja Knoblich, Sprecherin der auch für den Rhein-Kreis zuständigen Arbeitsagentur Mönchengladbach.

Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 40 Prozent. Bei mehr Stellen ist die Zahl der Bewerber aber keineswegs mitgestiegen.

Hatten sich von Oktober 2006 bis Juni 2007 noch 2213 Personen um eine Ausbildungsstelle beworben, sind es dieses Jahr 0,9Prozent weniger.

Einen möglichen Grund für den Bewerberrückgang nennt Heinrich Backes, Ausbildungs-Koordinator bei der IHK:

"Abgänger von Haupt- und Realschulen machen an Berufskollegs anschließend oft noch einen weiteren Abschluss, bevor sie sich um eine Ausbildung bewerben."

"In meiner Klasse hat noch keiner einen Ausbildungsplatz und die meisten wissen nicht, was sie machen sollen", sagt Berivan Uca.

Doch die junge Frau ist motiviert und will Bankkauffrau werden. Sie hat einen Einstellungstest bei der Sparkasse in Aussicht.

Anna Zentek hat die erste Hürde schon geschafft. Die angehende Kauffrau für Bürokommunikation ist im zweiten Lehrjahr. Sie ist gekommen, um "die Bewerber zu motivieren, besonders die Hauptschüler."

Ihnen empfiehlt sie, sich umzuhören und die Internetbörse der IHK zu nutzen. Auch sie hat ihre Stelle im Internet gefunden: "Man sollte sich in verschiedene Richtungen bewerben und sich auf keinen Fall festlegen", sagt Zentek.

Einer, der heute auf seine vielleicht letzte Chance hofft, ist Labinot Sylejmani. Der Neusser hat eine Ausbildung als Kaufmann im Einzelhandel abgebrochen und in den letzten sechseinhalb Jahren 500 Bewerbungen geschrieben.

Einmal wurde er auch als Fachkraft für Gastronomie angenommen, aber er lehnte ab. "Ich hätte da nicht reingepasst", sagt Sylejmani, der unbedingt im Einzelhandel bleiben will.

"Was hat es für einen Sinn, wenn ich in einen handwerklichen Beruf gehe und dafür nicht die Fähigkeiten habe?"

Etwas anderes kommt für ihn also nicht in Frage. "Nicht, dass ich dann wieder abbreche."

Annette Perzylo sieht die Schwächen der Bewerber vor allem in mangelnden Deutschkenntnissen. "Die Bewerbung ist das Aushängeschild, da dürfen keine Fehler drin sein."

Auch bei Prozentrechnung und Dreisatz hapert es. "Schulabgänger sollten ihre Kenntnisse auffrischen. Dass es lange her sei, zählt nicht."

Viele Stellen sind noch offen, weil die Bewerber oft nicht die richtigen Qualifikationen mitbringen. "Dann warten die Betriebe lieber, bis ein besserer Bewerber kommt."

Wer bis August trotz allem nichts findet, kann sich schon für das nächste Ausbildungsjahr 2009 umschauen.

Bis dahin empfiehlt es sich aber, die Zeit mit Praktika zu überbrücken: "Das Schlimmste, was ein junger Mensch machen kann, ist zu Hause zu bleiben", sagt Perzylo.