Händler wollen ihren Kunden weniger Plastiktüten geben
Einige nehmen jetzt Geld für die Tüten. So soll weniger Müll die Umwelt belasten.
Neuss. Mit so vielen positiven Rückmeldungen hat Christoph Napp-Saarbourg gar nicht gerechnet. Der Apotheker unterstützt eine Selbstverpflichtung, die vom Handelsverband Deutschland (HDE) angestoßen wurde: dem weitgehenden Verzicht auf Plastiktüten. Die freiwillige Vereinbarung, die der HDE mit dem Bundesumweltministerium geschlossen hat, sieht vor, dass bereits in Kürze rund 60 Prozent der Tüten bezahlt werden müssen. Innerhalb von zwei Jahren sollen rund 80 Prozent der im Handel ausgegebenen Tüten kostenpflichtig sein. Das Kalkül: Kunden verzichten auf die Plastiktüte, und das entlastet die Umwelt. „Wir machen unsere Kunden darauf aufmerksam und bieten Alternativen zur Plastiktüte an“, sagt Napp-Saarbourg. „Die Kunden reagieren mit viel Verständnis und verzichten in der Regel auf eine Tüte.“
Als Vorsitzender der Zukunftsinitiative Innenstadt Neuss (ZIN) möchte Christoph Napp-Saarbourg bei seinen Kollegen um weitere Unterstützung werben. Einige ziehen bereits mit, zum Beispiel die Mayersche Buchhandlung. Plastiktüten kosten dort ab heute 20 Cent. Das Ziel sei es, den Plastiktütenverbrauch um 80 Prozent zu reduzieren. „Eine Plastiktüte wird meist nur einmal für im Schnitt 30 Minuten eingesetzt. Es kann aber bis zu 400 Jahre dauern, bis sie vollständig zersetzt ist“, teilt das Unternehmen mit.
Natur- und Umweltverbänden geht die freiwillige Regelung nicht weit genug. Sie verweisen auf die Vermüllung der Meere sowie das zunehmende Mikroplastikproblem — und befürworten ein Plastiktütenverbot wie es am 1. Juli zum Beispiel für Ladenkassen in Frankreich in Kraft treten soll. 2017 sollen die Tüten dort dann auch aus den Obst- und Gemüseabteilungen im Supermarkt verschwinden.
Von solchen Schritten ist Deutschland noch weit entfernt. In einigen Städten machen die Umweltorganisationen BUND und Nabu daher bereits mobil. Ingeborg Arndt, Vorsitzende der BUND-Kreisgruppe Neuss, kennt diese Bestrebungen. Auf Sicht gehe es um ein Plastiktütenverbot, sagt sie. Aktivitäten wie in Leverkusen — dort startete eine „Aktion gegen die Plastikflut“, um die Bevölkerung zu sensibilisieren — seien in Neuss aber derzeit nicht geplant.
Bei der Bevölkerung kommt der Verzicht auf Plastiktüten gut an. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov erklären 80 Prozent der Befragten, sie fänden es „sehr gut“ oder „eher gut“, dass immer mehr Geschäfte Geld für Kunststofftaschen nehmen. 53 Prozent sprechen sich gar dafür aus, die Ausgabe von Plastiktüten in Geschäften ganz zu verbieten. Mehr als zwei Drittel der Verbraucher geben an, schon heute Körbe, Rucksäcke oder Stofftaschen für ihre Einkäufe zu verwenden. Nur 15 Prozent sind laut der YouGov-Umfrage gegen eine Tüten-Gebühr.
Hintergrund des Vorstoßes von HDE und Bundesumweltministerium ist eine EU-Richtlinie. Deren Ziel ist es, den Pro-Kopf-Verbrauch von Kunststofftüten bis 2025 auf 40 Tüten im Jahr zu senken. In Deutschland sind es zurzeit 71 Tüten pro Einwohner. Für Neuss ergibt das hochgerechnet rund 11,3 Millionen Plastiktüten pro Jahr.