Kaarst. "Dass so etwas wie in Duisburg auch direkt hier nebenan hätte passieren können, das ist doch unvorstellbar", sagt eine Anwohnerin der Martinusstraße. Dort haben gestern Morgen um 5.30 Uhr die Polizisten der Mordkommission "Mülheimer Straße", die im Rahmen der Duisburger Mafia-Mord ermitteln, die Pizzeria "San Michele" durchsucht.
Zeitgleich hat ein Anwohner an der Königstraße Polizisten beobachtet: "Ich habe um 5.30 Uhr das Fenster zum Lüften geöffnet. Da ist mir ein Polizist aufgefallen, der in Schussposition in der Nähe von ,Tonis Pizza’ stand. Am Straßeneingang standen außerdem zwei Transporter und mindestens 20 Beamte. Die Straße war voller Polizisten", berichtet Ozgyn Osman. Kurzentschlossen zeichnet der 24-Jährige mit seiner Videokamera die Aktion auf. "Plötzlich hörte ich einen lauten Krach. Ich hab’ gesehen, dass die Tür mit einer Ramme eingeschlagen wurde. Die Beamten waren alle maskiert, schwarz vermummt. Mindestens einer hatte ein Schutzschild", erzählt er.
Das kleine italienische Restaurant in dem einstöckigen weißen Haus wirkt modern. Erst vor kurzem hat es neu eröffnet, ist aber seit einer Woche geschlossen. Da sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung niemand in der Pizzeria befand, war die Aktion schnell beendet. Eine halbe Stunde später sind bis auf Beamte der Spurensicherung alle Einsatzkräfte abgezogen. Vier, teilweise bewaffnete Beamten in Zivil untersuchen noch bis in den Nachmittag die zwei Pizzataxis, die an der Königstraße stehen. Ausgerüstet mit Handschuhen und Staubmasken nehmen sie Fingerabdrücke von Sitzen und Lenkrad.
Am frühen Morgen schreckt eine 72-Jährige an der Straße Windvogt aus dem Schlaf. "Ich habe erst an eine Explosion gedacht", sagt sie. Denn Polizisten verschaffen sich mit Gewalt Zutritt zu der Wohnung über ihr. Als sie plötzlich italienische Stimmen hört, bekommt sie es mit der Angst zu tun. "Vor drei Jahren war im Haus schon einmal das Landeskriminalamt. Da wussten wir nie, wie viele Italiener eigentlich in der Wohnung leben. Da ging es immer laut zu", erzählt die Nachbarin und ergänzt: "Aber das junge Paar jetzt war immer nett und ruhig." Ein Anwohner am Morgen gesehen haben, wie die Polizei dort einen jungen Mann mitgenommen hat.
Nachbarn erzählen, dass das Paar zuletzt in der Pizzeria "San Michele" an der Martinusstraße gearbeitet haben soll und die Pizzeria übernehmen wollte, weil der Betreiber nicht aus Kalabrien zurückkehren wolle. "Bei ,San Michele’ haben noch mehrere Leute gearbeitet, die haben an der Eichendorffstraße gewohnt", erzählt ein Anwohner. Doch die drei bis vier jungen Leute, alle zwischen 18 und 20 Jahre alt, sollen am vergangenen Wochenende ausgezogen sein. Auch diese Wohnung und eine am Kaarster Bahnhof haben die Beamten durchsucht und Gegenstände mitgenommen.
Ein Kaarster berichtet von dem Gerücht, das sich hartnäckig hält: Der frühere Inhaber der Pizzeria San Michele soll sein Geschäft vor drei Jahren bei einer Pokerrunde verzockt haben. "Alles Quatsch, der hat es verkauft und lebt jetzt in Krefeld. Er schaut hin und wieder mit seinem Lamborghini vorbei. Der ist sehr geschäftstüchtig." Ein anderer will wissen: "Alle Pizzerien, die Toni im Namen führen, gehören einer Person. Sein Imperium reicht weit über die Grenzen von Kaarst. Doch der soll in Italien wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis sitzen. Er hat andere, die für ihn die Restaurants betreiben."
Für einen Nachbarn an der Martinusstraße steht fest, dass die Polizei nicht nur wegen der Mafiamorde ermittelt. "Ich habe einen Drogenspürhund gesehen und gehört, dass die Beamten von Geldwäsche gesprochen haben, deshalb haben sie auch die Computer mitgenommen."
Gestern blieben die beiden Pizzerien geschlossen. Ob die Restaurants wieder öffnen, steht nicht fest. Ein Hinweisschild gibt es nicht. Lieferanten standen gestern vor verschlossenen Türen.