Kaum Interesse an Lesung von Schwalm
Der 77-Jährige Bodo Schwalm las aus seinem neuen Werk vor. Er nennt es „Vermächtnis“.
Grevenbroich. Ernüchtert blickt Bodo Schwalm auf die vielen leeren Stühle im Raum des Hotel Montanushof. „Ich bin ja ein paar Jahre weg aus Grevenbroich. Da gilt wohl: Aus den Augen aus dem Sinn“, sagt der 77-Jährige. Nur 16 Gäste sind zu seiner Lesung gekommen. In diesem kleinen Kreis stellt Schwalm am gestrigen Morgen seine soeben erschienene Märchen-Trilogie „Es war einmal — Märchen, Mythen, Zauberzeichen“ vor.
Seiner Erzähl-Laune tut es keinen Abbruch. Schwalm liest nur ein paar Geschichten. Weit mehr Zeit verwendet er darauf, lustige Anekdoten auszubreiten und von beeindruckenden Reisen zu berichten.
Bodo Schwalm
Wild gestikulierend sitzt er auf seinem Stuhl. Auf den übereinandergeschlagenen Beinen legt er die Bücher ab, in denen Papierfahnen die besten Stellen markieren.
„Schriften sind Zauberzeichen“, sagt er ganz zu Anfang. Und meint damit: Es ist etwas Wunderbares, dass Menschen ihre Geschichten festhalten und ihre Erfahrungen und ihr Wissen so an die kommenden Generationen weitergeben können. So wie er mit seiner Trilogie. Angefangen habe das Interesse für Märchen mit seiner mexikanischen Lebensgefährtin, einer Indianerin. Sie habe Märchen, die es nur als Erzählungen gab, auf Tonbändern gesammelt, um sie zu erhalten. Einige dieser Märchen hat Schwalm für das Buch übersetzt und viele weitere gesammelt — aus Rumänien, Russland und Arabien.
Dazu hatte er im Laufe seines Lebens, das ihn an zahlreiche Orte dieser Welt führte, die Gelegenheit. Schwalm hat Kultur-Anthropologie studiert, in Mexiko gearbeitet, an der Freilegung der Palastanlage von Persepolis im Iran mitgewirkt und von 1989 bis 2006 das Völkerkundemuseum in Grevenbroich geleitet.
An diese Zeit hat er nicht nur gute Erinnerungen. „Ich habe mein ganzes Vermögen hier eingebüßt“, sagt Schwalm verbittert. Damit bezieht er sich auf einen Streit zwischen ihm und der Stadt Grevenbroich um das Eigentum an der Ägyptischen Sammlung. „Viele Menschen, die es eigentlich gut mit dieser Stadt meinten, haben sie mit ihrem Handeln leider geschädigt“, meint Schwalm. Auch als er danach ein Weihnachtsmärchen vorliest, hebt sich seine Laune nicht. Denn es erinnert ihn daran, dass er dieses Jahr kein Weihachten feiern wolle. „Bei dem Gemetzel, das gerade in Allepo stattfindet, ist mir nicht nach Feiern“, sagt er.
Und so bleibt ihm nur, seinen Gästen zu wünschen: „Bleiben Sie gesund. Das wünscht Ihnen einer, der es nicht mehr ist.“ Wie krank er ist, wird auch deutlich, als er sagt: „Das Buch ist mein Vermächtnis an meine Zeitgenossen. Arg lange geht es bei mir nicht mehr.“