Neuss: Gesetz - Wer rauchen will, muss Mitglied sein
In vielen Gaststätten wird trotz Verbots weiter geraucht. Denn fast überall haben sich Raucherclubs gegründet.
Neuss. Neben dem runden, rot-weißen Schild mit einer durchgestrichenen Zigarette hängt ein blaues mit nicht durchgestrichenem Glimmstängel. Daneben ein Aufkleber mit der Aufschrift: Hier darf geraucht werden.
Seit 1. Juli gilt das Nichtraucherschutzgesetz in NRW nun auch für Gaststätten, Bars und Kneipen. Doch wie die Aufkleber in der Kneipe Am Markt 27 zeigen, gilt zwar faktisch das Rauchverbot, an vielen Orten wird dennoch geraucht. Das Zauberwort lautet: Raucherclub.
"Der Anteil von Raucherclubs was den gesamten Gaststättenbereich angeht bleibt überschaubar", sagt Thorsten Hellwig vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband NRW (Dehoga). "Doch vor allem in Kneipen mit nur einem Raum setzt sich diese Lösung durch." Genaue Zahlen liegen zwar nicht vor, da es keine Meldepflicht für Raucherclubs gibt. Der Dehoga schätzt aber, dass von den 38000 gastronomischen Betrieben, die bei dem Verband Mitglied sind, etwa 2500 einen Club beherbergen.
Auch in Neuss hängt an sehr vielen Kneipen ein Raucherclub-Schild. So auch am Spiegel am Hamtorwall. "Ich brauchte eigentlich gar nichts machen", sagt Inhaberin Astrid Rockenfeller (31). "Der Dehoga ist auf mich zugekommen und hat mir alles an die Hand gegeben." Der Verband schickte eine vorgefertigte Satzung, Mitgliedsanträge und weitere Unterlagen der Inhaberin zu.
Unter dem Dachnamen "Mensch. Kultur. Kneipe." hat sich der Club gegründet, ein Stammkunde wurde zum Vorsitzenden gewählt. "Ich schätze wir haben so 400 bis 500 Mitglieder", sagt Rockenfeller. Die Gäste werden direkt am Eingang des Spiegels abgefangen und müssen den Antrag ausfüllen. "Bei uns sind viele Nichtraucher Mitglieder." Denn wer mit seinen rauchenden Freunden ein Bierchen trinken will, der muss ebenfalls im Club Mitglied sein.
So geht es Heinz-Peter und Carola Kluth, die beiden Nichtraucher sind dem Raucherclub der Kneipe Am Markt 27 beigetreten: "Wir gehen dahin, wo unsere Freunde sind, und wenn da geraucht wird, dann treten wir halt einem Club bei." So sieht es auch Nichtraucherin Tanja Glasmacher, die ein paar Tische weiter sitzt: "Wenn ich mich mit Freunden verabrede, die rauchen, trete ich einem Club bei."
Die Jägerstube in der Hymgasse ist ein Exot: Hier gibt es keinen Raucherclub. "Nach dem Schützenfest ist für mich hier Schluss", sagt Wirt Karl-Hubert Busch. "Sonst hätte ich das gemacht, immerhin sind fast 90 Prozent meiner Gäste Raucher." Sein Gast Siegfried Nakoinz kann das Rauchverbot für Kneipen nicht verstehen: "Die Zigarette gehört einfach zur Wirtschaft. In Restaurants finde ich das ja okay, aber in reinen Bierkneipen gehört das Rauchen einfach dazu."
Einen dicken Ordner voller Anträge hat Wirt Bernhard Strenczek bereits. Etwa 580 Mitglieder in alphabetischer Reihenfolge geordnet, schätzt der Inhaber des Am Markt 27. Kontrollen vom Ordnungsamt gab es bisher keine. Dennoch muss jeder, der die Gaststätte betritt, eine Beitrittserklärung ausfüllen.
Die Wirte freut es, dass weiter geraucht werden darf. Und im Gegensatz zu anderen Bundesländern vermelden die gastronomischen Betriebe in NRW keine Umsatzeinbußen. "Wir empfehlen die Raucherclubs den kleinen Betrieben, damit sie überleben", sagt Thorsten Hellwig von der Dehoga. "Aber wir sehen es als Ausnahme."
Noch ist das letzte Wort in Sachen Nichtraucherschutz nicht gesprochen. Am Mittwoch wird ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts erwartet. Derweil hängen Am Markt 27 weiter die drei Aufkleber: "Das ist Absicht. Hier sind alle willkommen: Raucher und Nichtraucher", sagt Bernhard Strenczek.