Neuss: Politiker beim „Bewerbungsgespräch“ in der Schule

Das Berufskolleg für Technik und Informatik lud die Bundestagskandidaten zueinerPodiumsdiskussion ein.

Neuss. Fünf Tage vor der Bundestagswahl wurden die Kandidaten des Rhein-Kreises Neuss zu einem "Bewerbungsgespräch" in die Aula des Berufskollegs für Technik und Informatik (BTI) geladen. Die Politiker stellten sich dort in einer Podiumsdiskussion den Fragen der fast 1000 Schüler.

"Im Wahlkampf sollten die Herren der Politik sich gut darstellen, denn sie alle wollen nach Berlin", munterte Moderator Tammo Zahlten die Anwesenden auf, sich an der Diskussion zu beteiligen. Wobei die, angesichts der hohen Schülerzahl, einem Frage und Antwortspiel glich, bei dem die Politiker die meiste Redezeit beanspruchten.

Drei Schwerpunkte hatten die Schüler zuvor im Unterricht herausgearbeitet: Bildung, Gesundheit und Auslandseinsätze. Ihnen ging es dabei ums Konkrete. "Warum haben wir seit November keinen Deutschunterricht mehr?", rief einer aus den hinteren Reihen. Oder: "Warum sind die Klassen so groß?". Sie nannten eine durchschnittliche Klassengröße von 35 Schülern. "Da kann man nicht lernen", hieß es. Mehr Geld für Bildung war die allgemeine Forderung.

Hermann Gröhe (CDU) verwies auf die Frage der Finanzierung. Was den Bildungsetat angehe, sei in den vergangenen Jahren schon viel passiert. Klar sein müsse, dass "mehr Geld auch immermehr Steuern" bedeute.

Hubert Eßer (SPD) fasste sich eher allgemein: 500 Milliarden zur Rettung der Banken seien selbstverständlich, bei einer Milliarde für die Bildung würde gejammert. Bijan Djir-Sarai (FDP) nannte Lösungen: "Der Bund gibt unsinnig Geld aus", er nennt die Abwrackprämie oder die Entwicklungshilfe in China. Das Geld wäre besser in Bildung investiert. Ingo Kolmorgen (Grüne) dagegen schlug vor, den vieldiskutierten Solidaritätszuschlag in einen "Bildungssoli" umzuwandeln. Beim Thema Gliederung des Schulsystems argumentierte er mit dem demografischen Wandel. "Angesichts einer schwindenden Schülerzahl wird es sich irgendwann sowieso auf eine Einheitsschule beschränken."

Oliver Reising (Linke) sprach sich gegen ein mehrgliedriges System aus und verweist auf Skandinavien. "Die machen es vor."

Auch zum Thema Gesundheit antworteten die Kandidaten ganz in der jeweiligen Partei-Manier. Hier wurde die Diskrepanz zwischen Politikern und Schülern unüberhörbar. Stichworte wie Praxisgebühr, Solidaritätsbeitrag und Zwei-Klassensystem wurden von den jungen Erwachsenen munter durcheinander gewürfelt. Die Antworten der Politiker fielen dementsprechend kompliziert aus, sodass die Aufmerksamkeit im Raum kurzzeitig nachließ.

Beim Thema Auslandspolitik waren die Kandidaten bis auf die Linke einer Meinung und die jungen Zuhörer wieder ganz bei der Sache. "Es kann uns nicht egal sein, dass Menschen in einem anderen Land vergewaltigt und misshandelt werden", betonte Djir-Sarai und erntete dafür lauten Applaus.

Viele Fragen blieben auf Grund der knappen Zeit noch unbeantwortet. Das zeigt: Der Bedarf ist da, Politik muss zum Anfassen sein. Die Schüler jedenfalls fanden die Veranstaltung "total cool", wie es einige formulierten.