86 Jahre nach der Reichspogromnacht Mit Stolpersteinen gegen den Antisemitismus
Neuss · Am 9. November jährt sich die Reichspogromnacht, bei der jüdische Bürger von Nationalsozialisten verfolgt und Synagogen zerstört wurden. So auch die ehemalige Synagoge in Neuss. Was Neusser Schüler zum Jahrestag gegen Antisemitismus tun und warum das so wichtig ist.
Das Vergessenwollen verlängere das Exil und das Geheimnis der Erlösung hieße Erinnerung, steht auf einer der Tafeln des Holocaustmahnmals in Neuss. Dieser Mahnung kamen am Freitagmittag mehrere Hundert Bürger nach. Sie gedachten der Reichspogromnacht, bei der vor 86 Jahren deutschlandweit mehr als 1000 Juden starben. In Neuss drang gegen Mitternacht die Sturmabteilung in die Synagoge an der Promenadenstraße ein. Später stand sie in Flammen.
„Das sind nicht nur Texte und Bilder aus Geschichtsbüchern, sondern ganz reale schreckliche Taten, die auch hier in unserer Heimatstadt Neuss geschehen sind“, sagte Bürgermeister Reiner Breuer. Rund 500 Personen kamen für die Mahnwache zusammen – unter ihnen Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Neuss, Vertreter der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Neuss und Neusser Schüler. Letztere seien, so Breuer, „ein helles Licht in der uns umgebenden Dunkelheit“. Das Engagement der jungen Generation sei wichtig. Denn der Antisemitismus in Europa und Deutschland sei im Vormarsch.
Drei Schülerinnen des Gymnasiums Marienberg – Anna, Nika und Ilka – repräsentierten ihren Religionskurs, in dem sie sich mit dem Antisemitismus auseinandersetzten. Für die Schüler sei währenddessen die Frage aufgekommen, was sie gegen den Antisemitismus tun könnten. Sie wollten ein Zeichen setzen. So entschieden sie sich dazu, einige Stolpersteine in Neuss zu putzen und die Partnerschaft für zwei neue zu übernehmen. Die kleinen Messingtafeln, die in den Boden eingelassen werden, erinnern an NS-Opfer, die verfolgt, deportiert, ermordet oder zum Selbstmord getrieben wurden. Bald sollen zwei weitere Stolpersteine vor der Kapitelstraße 15 an die jüdischen Neusserinnen Anna und Erna Stein erinnern. Ihr Vater Hermann Stein arbeitete als Pferde- und später als Möbelhändler. Er und seine Frau Sara blieben in Neuss und wurden 1941 in das Ghetto Litzmannstadt deportiert. 1945 erklärte man sie für tot.
Ihre beiden Töchter schafften es auszuwandern. Erna Stein, so erzählen die Schülerinnen, sei mit 20 Jahren über Düsseldorf nach Birmingham gezogen. Später sei ihr mit ihrem Ehemann die Einwanderung nach Amerika gelungen. Dort habe sie gelebt, bis sie zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Birmingham zurückkam, wo ihr letzter Wohnort dokumentiert wurde. In der englischen Großstadt konnte sich auch Anna Stein niederlassen, nachdem sie mehrfach umzog. Die Stolpersteine des Gymnasiums Marienberg setzen ein Zeichen gegen Antisemitismus und helfen dabei, zu erinnern.