Bruch der Regierung in Berlin - Reaktionen im Rhein-Kreis Neuss „Ampel-Aus darf Strukturwandel im Rheinischen Revier nicht ausbremsen“
Rhein-Kreis/Berlin · Nach dem Ampel-Aus im Bund kritisieren CDU-Politiker im Rhein-Kreis die „stillose Brutalität“ von Kanzler Olaf Scholz im Umgang mit der FDP und den zu späten Termin für Neuwahlen. Die IHK drängt auf schnelle Entscheidungen. Die SPD verteidigt ihren Kanzler. Reaktionen und Forderungen.
Das politischen Beben, ausgelöst durch den Bruch der Ampel in Berlin, erschüttert auch die Politik im Rhein-Kreis. Bereits in der Nacht reagierten zunächst die Bundestagsabgeordneten. „Die letzten Tage haben in aller Deutlichkeit gezeigt, was schon vorher zu spüren war: Die Ampel hat keinen gemeinsamen Plan, wie Deutschlands Wirtschaftskraft wieder erneuert werden kann“, sagt Hermann Gröhe, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Neuss.
Dabei gehe es nicht um Einzelheiten, sondern um völlig unterschiedliche Grundüberzeugungen. Das könne sich Deutschland nicht länger leisten in einer Zeit, in der auch das Wahlergebnis in den USA zeige: „Europa braucht endlich wieder ein politisch und wirtschaftlich starkes Deutschland, um mehr Verantwortung für seine Zukunft in Sicherheit und Wohlstand zu übernehmen. Eine taumelnde Ampel kann dies nicht zustande bringen.“ Schnelle Neuwahlen, so Gröhe, seien erforderlich, um weiteren Schaden vom Land abzuwenden. Letztlich, so Gröhe, überrasche nach der Entwicklung der vergangenen Tage das Ampel-Ende nicht, „wohl aber die stillose Brutalität der Abrechnung von Scholz mit einem bisherigen Koalitionspartner“.
Auch CDU-Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender Ansgar Heveling aus Korschenbroich spricht von „unangemessen harschen Vorwürfen“ von Bundeskanzler Scholz gegen Christian Lindner. Damit habe sich offenbart, wie tief der Graben zwischen den ehemaligen Ampelpartnern geworden sei: „Bundeskanzler Scholz hat erkennbar keinen Rückhalt mehr im Parlament. Seine Regierung hat keine Mehrheit im Bundestag. Gleichzeitig gibt es drängende Probleme in und Herausforderungen für unser Land.“ Dazu, so Heveling, brauche es politische Kraft und Stabilität, über die Scholz jedoch nicht mehr verfüge.
Die Ankündigung des Kanzlers, erst im Januar die Vertrauensfrage zu stellen und damit den Weg für Neuwahlen frei zu machen, kritisiert Heveling deutlich: „Scholz sollte daher so schnell wie möglich die Vertrauensfrage stellen, damit die Bevölkerung durch Neuwahlen die Grundlage für neue politische Mehrheiten schafft.“ Die Union werde darauf drängen, dass die Vertrauensfrage in den nächsten Tagen gestellt wird. Politischen Stillstand zum Schaden des Landes wolle die CDU vermeiden: Dort, wo es aus Sicht der Union richtig und nötig sei, werde sie notwendige Entscheidungen für das Land mit treffen.
Schnelle Neuwahlen, so Heveling, seien für die CDU im Rhein-Kreis kein Problem: „Die Nominierung der Kandidaten für die Bundestagswahlkreise ist für die nächsten Wochen terminiert, sodass es dann direkt in den Wahlkampf gehen kann.“
SPD-Bundestagsabgeordneter und Kreisparteichef Daniel Rinkert aus Grevenbroich hingegen verteidigt den Kanzler. Im Koalitionsgespräch am Donnerstag habe er einen Vorschlag präsentiert, der unter anderem neue Impulse für die Wirtschaft enthalten habe, die gerade für den Rhein-Kreis mitten im Strukturwandel von großer Bedeutung gewesen wären. „Dieser Weg ist richtig. Er hätte umgesetzt werden können, wenn alle Partner bereit gewesen wären, im Sinne des Landes zu entscheiden“, so Rinkert. Finanzminister Christian Lindner (FDP) habe sich stattdessen am Tag, als Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, für Parteitaktik und Ideologie entschieden.
„Interessen des Landes vor Parteipolitik stellen“
Jetzt, so der SPD-Politiker, müssten die Interessen des Landes vor den parteipolitischen Interessen einzelner Akteure stehen: „Es gibt Entscheidungen zur wirtschaftlichen Lage, Sicherung von Arbeitsplätzen und Investitionen in unser Land, die keinen Aufschub dulden. Ich erwarte, dass sich in der demokratischen Mitte des Landes verantwortungsvolle Mehrheiten finden, um Entscheidungen zum Wohle unseres Landes zu treffen.“ Auch die CDU trage jetzt eine staatspolitische Verantwortung für Deutschland und dürfe sich nicht verstecken, sagt Rinkert. Nötig sei ein geordneter Übergang zu Neuwahlen im Frühjahr 2025.
„Das Ende der Ampel ist überfällig. Ich hätte erwartet, dass die Koalition sich noch ins nächste Jahr rettet. Umso besser, dass das Drama jetzt endlich ein Ende hat“, sagt Unternehmer David Zülow, der sich ebenfalls um die Gröhe-Nachfolge bewirbt. Je schneller Neuwahlen stattfinden, umso besser sei das für die Demokratie: „Die Regierung unter Olaf Scholz war schon lange unfähig – jetzt ist sie auch noch handlungsunfähig.“
Aus Sicht der Wirtschaft kommentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz den Bruch der Ampel, aber auch die Wiederwahl von Donald Trump in den USA am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz, bei der eigentlich Konjunkturfragen im Mittelpunkt stehen sollten: „Eine wahnsinnige Woche.“ Dass Scholz vorgezogene Neuwahlen angekündigt habe, begrüße die IHK sehr: „Der Regierung war nicht mehr zuzutrauen, den Neuanfang herbeizuführen, den unsere Wirtschaft, die in einer ernsten Krise steckt, so dringend benötigt.“
Die Konjunkturaussichten seien in vielen Branchen düster, Unternehmen hielten sich bei Investitionen zurück, auch Personalabbau sei kein tabu mehr. „Politik ist zu einem Wachstumshemmnis geworden“, sagt Steinmetz. Dazu habe die Uneinigkeit der Ampelregierung in Berlin maßgeblich beigetragen. Jetzt müssten schnell neue Konzepte her, um überbordende Bürokratie abzubauen, Energiekosten zu senken und die Infrastruktur zu stärken.
Wirtschaft: Sorge nach Trump-Sieg
Die Wirtschaft in der Region sei traditionell stark vom Export abhängig: „Deshalb müssen wir schnell den Anschluss an die wirtschaftliche Entwicklung in Europa und weltweit wiederherstellen“, so Steinmetz. Auch mit Blick auf den von Trump in den USA angekündigten Kurs mit mehr „America first“, mehr Protektionismus, mehr Abschottung durch höhere Zölle für Waren aus dem Ausland, allesamt Gift für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region, seien schnelle Wachstumsimpulse mehr als dringlich.