Schießerei: Verdächtige wieder frei

Nach den Schüssen vor einem Wettbüro im April relativieren sich die Vorwürfe: kein Mordversuch, keine räuberische Erpressung.

Foto: Lothar Berns

Neuss. Die Schießerei vor einem Wettbüro an der Hafenstraße Anfang April ist so gut wie aufgeklärt. Die Vorwürfe vor allem gegen den Hauptbeschuldigten lösen sich zwar nicht in Luft auf, relativieren sich aber aus Sicht der Ermittler beträchtlich. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb nicht nur die unmittelbar nach der Tat eingerichtete und von Kriminalhauptkommissar Rolf Busch geleitete Mordkommission „Bleich“ inzwischen wieder aufgelöst, sondern auch den Hauptverdächtigen nach kurzer Untersuchungshaft auf freien Fuß gesetzt. Der Tatvorwurf einer räuberischen Erpressung sei ihm nicht nachzuweisen gewesen, sagt Staatsanwalt Christoph Kumpa.

Was am ersten Sonntagabend im April nach einem dramatischen Verbrechen aussah, könnte sich am Ende als Abrechnung unter kleinen Ganoven herausstellen. Kein Mordversuch, keine versuchte schwere räuberische Erpressung scheint hinter dem blutigen Zwischenfall auf der Hafenstraße zu stecken, der sich damit auf eine — wenn auch gefährliche — Körperverletzung reduzieren könnte. Denn geschossen wurde ja. Aber warum?

Kumpa schließt fast schon aus, dass sich der Hauptverdächtige bereichern wollte, als er an jenem Abend gegen 23 Uhr seine Pistole auf einen 39-jährigen Albaner richtete. Es gebe da vielmehr einen, so Kumpa wörtlich zum Grund der Auseinandersetzung, „bestehenden Rückzahlungsanspruch aus einem Darlehen“. Und auch der Griff zur Waffe stellt sich für ihn inzwischen anders dar. Es könnte sein, dass der Hauptverdächtige sogar in einer Notwehrsituation war, als er die Waffe zog. Denn der Albaner war nach Wissen der Fahnder nicht alleine.

An jenem Sonntagabend war es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit mindestens vier, vielleicht sogar fünf Beteiligten gekommen. Ersten Angaben der Polizei zufolge hatten sich drei Männer den Albaner vorgeknöpft, ihn geschlagen und getreten — und am Ende mehrere Kugeln auf ihn abgefeuert. Die verletzten den 39-Jährigen schwer, aber nicht lebensgefährlich.

Es war der erste Fall seit Jahren, in dem eine „scharfe“ Schusswaffe zum Einsatz gekommen war, sagte Polizeisprecherin Diane Drawe. Die Auseinandersetzung — aus Polizeisicht eine einmalige Ausnahme in Neuss.

Die drei Verdächtigen flohen in einem dunklen Wagen. Keine 48 Stunden später hatte die Mordkommission „Bleich“ einen von ihnen nicht nur identifiziert, sondern auch in Düsseldorf-Oberkassel festgenommen. Für die Fahnder stand allerdings schnell fest, dass dieser 44-jährige Mann nicht der Schütze gewesen sein kann. Er wurde zwar von einem Haftrichter in Untersuchungshaft geschickt, kam aber schnell wieder frei.

Die weiteren Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Schützen, einen Bruder des 44-Jährigen, kürzte dieser jetzt ab. Er stellte ich selbst. Der gegen ihn bestehende Haftbefehl brachte ihn zwar zunächst ins Gefängnis, doch wurde dieser Haftbefehl inzwischen außer Vollzug gesetzt.