Stadt fordert Hafenvereinbarung
Vorbild soll der Düsseldorfer „Friedensvertrag“ sein, der seit 2011 ausgehandelt und kürzlich unterzeichnet wurde.
Neuss. Für Ulrich Gross ist eine Hafenvereinbarung mehr als ein Stück Papier: „Wir kämpfen damit um unsere Existenz“, betont der Hafendirektor, der sich demonstrativ hinter Bürgermeister Reiner Breuer stellt. Der möchte nach dem Düsseldorfer Vorbild einen solchen rechtsverbindlichen Vertrag zwischen den Firmen im Hafen und der Stadt aushandeln. „Das gibt Planungssicherheit für beide Seiten“, sagt Breuer — und den Firmen eine Perspektive über die Bestandsgarantie hinaus. Vor allem aber schützt es das industrielle Herz der Stadt vor einer heranrückenden Wohnbebauung.
Einfach ist ein solches Projekt nicht. Das zeigt der Düsseldorfer „Friedensvertrag“, um den seit 2011 gerungen wurde. Vergangene Woche erst wurde er unterzeichnet. Im Kern sieht diese Vereinbarung vor, dass die bestehende Lärm- und Geruchsbelastung, die durch die Industriebetriebe verursacht wird, als Dienstbarkeit im Grundbuch für die Flächen eingetragen werden kann, die an den Hafen stoßen und möglicherweise oder tatsächlich für Wohnzwecke vorgesehen sind. Diese Emissionen sind nicht mehr rechtlich anfechtbar.
Hinter dem Anstoß zu dieser Vereinbarung stand in Düsseldorf die Sorge der Hafenindustrie, dass neue Nachbarn in zwei geplanten Wohnhochhäusern schon kurz nach ihrem Einzug gegen die Belastungen aus dem Industriehafen wettern könnten. In Neuss hegen die Firmen im Hafen gleiche Befürchtungen. Im Ergebnis führte ihre Sorge zu Klagen — etwa gegen die Genehmigung zum Bau von Wohnhäusern auf dem ehemaligen Münsterschul-Areal am Hafenbecken I.
Diesen Streitpunkt bekommt Breuer mit einer Hafenvereinbarung nicht mehr vom Tisch. Die sei nur mittelfristig zu erreichen, sagt er. So versucht die Stadt stattdessen, als Vermittler eine Einzelfalllösung herbeizuführen. Breuer zeigt sich nicht euphorisch, aber auch nicht unzufrieden: „Beide Seiten reden wieder miteinander“, sagt er knapp.
Ähnlich dicke Bretter sind auch zu bohren, damit an der Bockholtstraße auf dem ehemaligen Areal der Firma Pierburg gebaut werden kann. Und auch die Pläne für das Werhahn-Areal, wo zwischen Erftkanal und Batteriestraße Büros, aber auch Wohnungen gebaut werden sollen, haben die letzten Hürden noch nicht genommen.
Hafenvereinbarung statt Streit um jeden Einzelfall: Das muss nach Breuers Ansicht das Ziel sein. „Wir müssen uns Perspektiven für die Stadtentwicklung eröffnen, ohne die Hafenwirtschaft zu beschneiden“, sagt Breuer, der beide Seiten verstehen kann. Er fordert schon seit Jahren den Schutz der „Blaumann-Jobs“ im Hafen, sagt aber mit Blick auf das Pierburg-Areal auch: „Wir müssen uns stärker im sozialen Wohnungsbau engagieren.“ Das heißt für ihn: „Eine Antwort suchen, die die Wirtschaft mitnimmt.“
Um dazu alle Akteure an einen Tisch zu bringen, wird nach Ansicht von Ulrich Gross etwas wie die Gründung eines Hafenvereins nötig sein. In Düsseldorf war er die Plattform, auf der sich die Neuss-Düsseldorfer Häfen, die Stadt und die Hafenunternehmer trafen.