TC Neuss verliert in Bestbesetzung

Beim 2:4 gegen Aachen tritt der Bundesligist in der bislang stärksten Formation an. Doch die Spitzenspieler enttäuschen.

Foto: Woitschützke

Neuss. Marius Zay hat hoch gepokert — doch weil seine Asse in den Doppeln nicht stachen, am Ende alles verloren. Nach der 2:4-Niederlage gegen TK Kurhaus Aachen wird die Lage im Abstiegskampf der Tennis-Bundesliga immer bedrohlicher für den TC Blau-Weiss Neuss. Schon eine Niederlage am kommenden Freitag bei der ebenfalls noch sieglosen Mannschaft von Rot-Weiss Köln könnte den dritten Abstieg der ansonsten so ruhmreichen Vereinsgeschichte besiegeln. Vielleicht hätte der Teamchef in den Doppeln einem seiner Kumpel aus der Tennisschule „Ewige Liebe“ vertrauen sollen. Die können vielleicht nicht so gut mit dem Schläger umgehen wie das von Marius Zay am Samstag noch im Eilverfahren verpflichtete Quartett Nikoloz Basilashvili, Adrian Ungur, Jürgen Zopp und Hans Podlipnik-Castillo, wissen aber zumindest, um was es für den Immer-Noch-Rekordmeister in dieser Bundesliga-Saison geht.

Diesen Eindruck vermittelte das nominell stärkste Aufgebot, das die Neusser bislang in dieser enttäuschenden Spielzeit aufbieten können, gestern nur bedingt. Vor allem die Art und Weise, wie sie in den Match-Tiebreaks der beiden Abschlussdoppel die Möglichkeit auf zumindest einen Zähler leichtfertig verspielten, wirft die Frage auf, ob dies die richtigen Leute für einen bedingungslosen Kampf um den Klassenerhalt sind. Die Aachener, die bei einer Niederlage, ja selbst bei einem Unentschieden ihre Chance auf den sechsten Deutschen Meistertitel schon verspielt hätten, wirkten jedenfalls genau diesen Tick entschlossener, den es braucht, um enge Matches für sich zu entscheiden. Vielleicht, weil Matthias Bachinger, Nils Langer und Maximilian Marterer mit ihren Gedanken nicht schon beim nächsten Turnier waren, bei dem sie in dieser Woche antreten müssen.

Auch Marius Zay konnte sich keinen rechten Reim darauf machen, wie Basilashvili/Ungur (gegen Olivo/Langer) nach einem mit 6:2 gewonnenen zweiten Satz den mühsam erreichten Match-Tiebreak mit 5:10 abgeben konnten. Noch kläglicher war der Auftritt von Jürgen Zopp, der schon im Einzel gegen Nils Langer nach 2:6, 6:3 einen enttäuschenden Match-Tiebreak (3:10) hingelegt hatte, und Hans Podlipnik-Castillo gegen Bachinger/Marterer. Denn eigentlich hatten die Neusser vom Spielverlauf her das Momentum auf ihrer Seite, nachdem sie im zweiten Satz aus einem 4:4 ein 6:4 gemacht hatten.

Was folgte, war eher ein Offenbarungseid als ein Entscheidungssatz: Aus einem 0:4 wurde in Windeseile ein 3:10, ohne dass von Neusser Seite nennenswerter Widerstand oder ein Aufbäumen zu sehen gewesen wäre. „Du kannst nur auf den Platz gehen, um zu kämpfen“, hatte Hans Podlipnik-Castillo, Chilene mit österreichischem Vater, nach seinem mühsamen Sieg im Einzel gegen Maximilian Marterer (7:5, 7:6) noch gesagt, diese Maxime auf dem Weg in den Tiebreak aber offensichtlich vergessen.

Enttäuschend auch die Vorstellung von Adrian Ungur, aus den Vorjahren als vorbildlicher Kämpfer und Teamplayer bekannt. Gegen Matthias Bachinger hatte er beim 5:7, 3:6 zu wenig zuzusetzen, um auch nur in die Nähe einer Siegchance zu geraten. Da verpuffte auch der Kraftakt von Nikoloz Basilahvili mehr oder weniger wirkungslos. Ihre georgische Nummer eins hatten die Neusser am Samstagabend „in ungezählten Telefonaten“ (BW-Vorsitzender Abraam Savvidis) bekniet, nach seiner 3:6, 4:6-Niederlage im Finale von Kitzbühel gegen den bei BW Krefeld unter Vertrag stehenden Italiener Paolo Lorenzi tags darauf an der Jahnstraße aufzuschlagen. Den angebotenen Flug lehnte Basilashvili dankend ab, setzte sich stattdessen zu seinem Trainer ins Auto — und war nach sieben Stunden in Neuss. Entsprechend müde wirkte der ungemein kräftige und mit einer satten Rückhand ausgestattete Georgier, in der Weltrangliste auf Position 123 geführt. Er biss sich aber gegen Renzo Olivo (Nummer 109) zu einem 6:3, 1:6, 10:6-Sieg durch. Biss, der zwei Stunden später im Doppel fehlte — vielleicht auch, weil es für ihn gestern Abend, ebenfalls via Autobahn, noch weiterging zum Challenger—Turnier nach Prag.

Am Freitag in Köln soll er — voraussichtlich gegen Dustin Brown — wieder punkten. Voraussetzung: Er scheidet rechtzeitig aus, er trifft rechtzeitig ein und hat sich bis zum ersten Aufschlag erholt. Fragezeichen, die die Hoffnung auf den Klassenerhalt auf tönerne Füße stellen. „Jetzt wird es ganz eng, vielleicht reichen nicht einmal zwei Siege am kommenden Wochenende“, stellte ein sichtlich angefressener Marius Zay fest. Dem Abgrund ist Blau-Weiss an diesem Spieltag jedenfalls um einiges näher gekommen.