Neustart am Rheinland Klinikum Von Algerien nach Neuss – Hebamme baut sich neues Leben auf
Neuss · Um in Deutschland arbeiten zu können, müssen Menschen aus dem Ausland einige Hürden überwinden. Das weiß Dalia Belal, die im Mai 2023 nach Neuss kam, nur zu gut. Doch für das Rheinland Klinikum ist die Hebamme aus Algerien ein echter „Glücksfall“.
(jus) Endlich hält Dalia Belal die Urkunde in den Händen, die ihr eine Zukunft in Deutschland ermöglicht: Es ist die Bestätigung darüber, dass ihre berufliche Qualifikation aus Algerien in Deutschland als gleichwertig anerkannt wird – mehr als ein halbes Jahr früher als erwartet. Normalerweise ist das Anerkennungs-Verfahren für Menschen aus Nicht-EU-Ländern normalerweise langwierig und kann sich über mehrere Jahre hinziehen. Doch die Hebamme hatte ein klares Ziel vor Augen: Die 41-Jährige kam im Mai 2023 nach Deutschland und konzentrierte sich ab diesem Zeitpunkt voll darauf, sich an ihrem neuen Arbeitsplatz, dem Kreißsaal des Neusser Lukaskrankenhauses, einzuarbeiten und ihre Sprachkenntnisse mit Hochdruck weiter zu verbessern.
Fachkräfte wie Belal sind rar, der deutsche Arbeitsmarkt nahezu leer gefegt. In den vergangenen Jahren hat das Rheinland Klinikum – ebenso wie die meisten großen Kliniken in Deutschland – mehrmals mit Vermittlungsagenturen zusammengearbeitet, um bereits ausgebildete Pflegekräfte und Ärzte im Ausland anzuwerben. So in Indien, der Türkei und Tunesien. Doch ganz so einfach geht es nicht mit der Integration in den Beruf in Deutschland: Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern müssen für eine Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation eine sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung ablegen.
Doch das ist nicht die einzige Hürde auf dem Weg ins deutsche Berufsleben. Darum beschäftigt das Rheinland Klinikum mit Tatiana Hilbert und Amir Janati zwei mehrsprachige Integrationsmanager, die den Eingliederungsprozess von der Bewerbung und ersten (Online-)Vorstellungsgesprächen an begleiten: Unterstützung bei Behördengängen, Beantragung eines Arbeitsvisums oder Anmeldung zu Qualifizierungsmaßnahmen.
„Ich finde es sehr wichtig, dass die ausländischen Fachkräfte einen direkten Ansprechpartner haben, mit dem sie alle mögliche Fragen und Problemen klären können, sei es bürokratische, berufliche oder private Angelegenheiten“, sagt Hilbert, „besonders am Anfang ist es für sie wichtig, nicht allein gelassen zu sein.“ Die Integrationsmanager sollen auch dazu beitragen, dass die Fachkräfte längerfristig bleiben wollen, da sie mit ihnen feste Ansprechpartner bei Sorgen und Nöten haben.
Für das Rheinland Klinikum ist Belal ein „echter Glücksfall“, wie Caroline Brünger betont. Sie leitet das Team aus 32 Hebammen am Neusser Haus, das zum Rheinland Klinikum gehört. „Wir haben sofort gemerkt, dass sie über sehr viel Berufserfahrung verfügt und zahlreiche Geburten begleitet hat. Darüber hinaus ist sie hoch motiviert, sehr empathisch im Umgang mit den Frauen und bei den Kolleginnen beliebt“, schwärmt Brünger.
Belal, die zunächst im Lukaskrankenhaus als Pflegehelferin beschäftigt war, kann nun – nach nur neun Monaten – ihren Beruf als Hebamme voll ausüben. Ihre Qualifikation beeindruckt. Hebammen in Algerien müssen eine fünfjährige Ausbildung abschließen. Auf diesem Niveau ist auch Belals Eignung, wie die 42-Jährige berichtet: „Ich habe in privaten und staatlichen Kliniken gearbeitet und dort auch Vorbereitungskurse gegeben und über Verhütung beraten. Aber am liebsten begleite ich Frauen im Kreißsaal und betreue sie vor und nach der Geburt.“
Nichtsdestotrotz gebe es Unterschiede in der täglichen Arbeit als Hebamme zwischen Deutschland und Algerien. „In Algerien übernehmen Hebammen mehr Aufgaben“, sagt sie, „in Deutschland bekommen die Gebärenden sehr viel Aufmerksamkeit, man geht stärker auf ihre Wünsche ein. Die Hebammen und Ärzte besprechen alles mit ihnen, sie nehmen die Frauen mit.“ Diese Zugewandtheit, der enge Kontakt und intensive Austausch zwischen Hebamme und werdender Mutter sei es, was Belal an der Arbeit im Lukaskrankenhaus besonders gut gefällt. „Dafür war in dem algerischen Krankenhaus, in dem ich gearbeitet habe, bei mehr als 30 Geburten am Tag kaum Zeit“, sagt sie rückblickend.
Das und die Chance, sich in ihrem Beruf weiterzuentwickeln, neue Techniken und Kenntnisse zu erwerben, waren wichtige Gründe für ihre Entscheidung, sich ein Leben in Deutschland aufzubauen. Dafür hat die zielstrebige Frau, die neben der Berbersprache fließend Französisch und Arabisch spricht, seit 2020 Deutsch gelernt. „Das Hebammen-Team im Lukaskrankenhaus ist sehr nett. Alle machen mir Mut, selbstständig zu arbeiten. Ich bekomme viel Unterstützung, vor allem von Caroline Brünger und Manuela Keller, der Pflegedienstleitung“, erzählt sie begeistert. Fremd fühlt sie sich nicht.
Aber bislang hatte sie wegen der Berufstätigkeit und des Lernpensums noch nicht viel Gelegenheit gehabt, ihre neue Heimat so richtig kennenzulernen. „Den Fernsehturm in Düsseldorf und den Kaarster See habe ich besucht, und im Sommer war ich in Köln schwimmen“, sagt sie. Ihre Familie im Bezirk Tizi Ouzou, etwa 100 Kilometer östlich von der Hauptstadt Algier, hat sie in den vergangenen neun Monaten nur zweimal während ihres Urlaubs gesehen. „Dafür haben wir uns eingesetzt, damit das Heimweh nicht zu groß wird“, sagt Brünger. Da ist sicherlich einiges nachzuholen, wenn Belals Ehemann, ein Kaufmann, und die zwei gemeinsamen Kinder (vier und sechs Jahre) zu ihr nach Neuss ziehen. Aktuell ist sie auf der Suche nach einer Wohnung für sich und ihre Familie.