Implantierbare Hörsysteme am Neusser Lukaskrankenhaus Wenn Hören unter die Haut geht

Neuss · Gutes Hören ist nicht nur am Welttag des Hörens (3. März) essenziell. Wenn konventionelle Hörgeräte an ihre Grenzen stoßen, können implantierbare Systeme helfen, wie sie in der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Lukaskrankenhauses rund 30 Mal pro Jahr eingesetzt werden. Wie funktioniert das?

Andreas Neumann im Gespräch mit Patientin Birgit Kuth, der Anfang Januar ein Hörsystem implantiert wurde.

Foto: Rheinland Klinikum

(jasi) Gespräche in großer Gesellschaft, Fernsehen mit ihrem Ehemann, ja sogar das Konzert ihrer Lieblingsband – Birgit Kuth kann all das endlich wieder genießen. In den vergangenen Jahren hörte sie zunehmend schlechter, tat sich schwer, Unterhaltungen in geräuschvoller Umgebung zu folgen. „Das war sehr anstrengend, und ich habe gemerkt, wie ich mich zurückziehe“, erzählt die 68-jährige Meerbuscherin, die gern und häufig in Gesellschaft ist, „wenn man dreimal nachfragen muss, was gesagt wurde, nervt das die Gesprächspartner. Das kann ich auch gut nachvollziehen.“

Damit ist es nun glücklicherweise vorbei: Ein Implantat in der Größe einer Zwei-Euro-Münze, das ihr Anfang Januar in einer etwa einstündigen Operation im Neusser Lukaskrankenhaus oberhalb des Ohres eingesetzt wurde, ermöglicht Birgit Kuth wieder die volle Teilnahme am Leben und unbeschwerten Musikgenuss.

Operiert hat sie Andreas Neumann, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am „Lukas“ und Direktor des Zentrums für HNO-Heilkunde am Rheinland Klinikum. Er war der Rentnerin von ihrem behandelnden Arzt empfohlen worden. Für wen und wann sind implantierbare Hörsysteme geeignet? „Wir nutzen implantierbare Hörsysteme wie das von Frau Kuth, wenn der Hörverlust ein Ausmaß erreicht hat, das durch konventionelle Hörgeräte nicht mehr ausgeglichen werden kann, weil das Mittelohr geschädigt ist, beispielsweise, weil entzündungsbedingt Gehörknöchelchen fehlen. Dann sind konventionelle Hörgeräte wirkungslos, weil sie lediglich die Luftschwingung verstärken“, erklärt der Facharzt. Im Gegensatz dazu die Funktionsweise des implantierbaren Hörsystems: „Es besteht aus zwei Komponenten: einem Prozessor, der hinter dem Ohr auf der Haut mit einem Magnet getragen wird, und dem eigentlichen Implantat unter der Haut, das den Schall in elektromagnetische Schwingungen umwandelt und auf die Gehörknöchelchen überträgt.“

Der kleine Prozessor, den Birgit Kuth äußerlich am Kopf trägt, wird durch ihr Haar verdeckt. Doch auch wenn er zu sehen wäre – aus Eitelkeit würde sie nicht auf ein gutes Hörvermögen verzichten wollen. Das kennt der Experte von anderen Patienten durchaus anders: „Manche Menschen möchten aus Stolz kein Hörgerät tragen oder fühlen sich dafür zu jung“, berichtet Neumann, „dabei ist es ein Mythos, dass konventionelle Hörgeräte große Klötze sind, die nicht passen und ständig piepsen.“

Das implantierbare Hörsystem besteht aus einem Prozessor (unten), der hinter dem Ohr auf der Haut mit einem Magnet getragen wird, und dem eigentlichen Implantat (oben), das etwa die Größe einer Zwei-Euro-Münze hat.

Foto: Rheinland Klinikum

Schlechtes Hören beeinträchtige nicht nur die Kommunikation, sondern erhöhe auch das Unfallrisiko. Auf Dauer können zudem Vereinsamung und Depressionen die Folgen sein, auch ein Zusammenhang mit einer drohenden Beschleunigung demenzieller Veränderungen wird gesehen, wie der Mediziner darlegt. „Hören setzt sich aus der Schallaufnahme durchs Ohr, der Weiterleitung über den Hörnerv und der Assoziationsleistung des Hirns zusammen“, erklärt er, „wird über längere Zeit kein Hörreiz verarbeitet und dann zu spät ein Hörgerät genutzt, wird oft nur Lärm und Scheppern wahrgenommen.“

Birgit Kuth ist glücklich mit ihrem neuen implantierten Hörsystem, das sie zudem per Handy-App fein justieren kann. Etwa neulich im Rockkonzert. Und sie fühlt sich damit so wohl, dass sie sogar schon vergessen hat, den kleinen Prozessor vor dem Schlafengehen abzunehmen. „Ich bin froh, meinen Entschluss direkt in die Tat umgesetzt zu haben“, sagt sie und freut sich schon auf den nächsten Opern-Besuch.