Ausbau der Hochspannungsleitung Unmut und Widerstand der Schwelmer wachsen
Wuppertal · Bürgerinfomarkt sorgt für noch mehr Unzufriedenheit bei den Bürgern.
Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion hatte zu einer Bürgerinformation ins Schwelmer Ibach-Haus eingeladen. Etwa 250 interessierte Bürger kamen, doch die Veranstaltung lief anders als von ihnen erwartet.
Vor zwei Jahren hatte Amprion der Stadt Schwelm mitgeteilt, die bestehende 110-kV-Hochspannungsleitung von Hattingen über Schwelm nach Wuppertal-Linde zur einer Höchstspannungsverbindung mit 380 kV ausbauen zu wollen. Anstelle der bisherigen etwa 35 Meter hohen Masten würden auf der Stromtrasse 80 Meter hohe Masten aufgebaut, die das Stadtbild stark verändern. Die 56 Meter hohe Christuskirche würde dann von Masten und Leitungen deutlich überragt. Angesichts der befürchteten negativen Folgen des Ausbaus wurde der Verein „Energievernunft Schwelm“ gegründet.
Von den Plänen der Amprion GmbH, die einem Konsortium von Finanzinvestoren aus Versicherungswirtschaft und Versorgungswerken gehört, ist durch den Ausbau der Trasse ein wesentlicher Teil des Schwelmer Westens betroffen. Im nördlich gelegenen Linderhausen soll an der Gevelsberger Straße eine riesige Umspannanlage errichtet werden, für die circa 4,4 Hektar landwirtschaftliche Fläche verbraucht würde – mehr als sechs Fußballfelder. Viele Linderhauser waren zu der Veranstaltung gekommen, Landwirte protestierten mit Bannern auf ihren Treckern gegen die geplanten Eingriffe in die Natur. In Wuppertal sind das Wohngebiet Erlenrode, der Langerfelder Ehrenberg und das Herbringhauser Bachtal bis nach Ronsdorf-Linde betroffen.
Der Verein „Energievernunft“, der bis Montag 150 Mitglieder zählte, hatte einen Info-Stand gegenüber dem Ibach-Haus aufgebaut. Bisher hatten sich vor allem Hauseigentümer, über deren Grundstücke die neue Trasse führen soll, dem Widerstand gegen das Trassen-Projekt angeschlossen. Am Montag kamen viele neue Mitglieder hinzu. „Wir sind nicht gegen die Energiewende, wir wollen eine vernünftige Lösung, die Mensch und Tier nicht belastet“, sagte Harald Schloßmacher, der Vorsitzende des Vereins. Man wolle gemeinsam die Veranstaltung besuchen und dem Netzbetreiber kritische Fragen stellen, man suche den Dialog.
Um 17 Uhr öffnete Sicherheitspersonal die Türen des Ibach-Hauses und gewährte etwa 40 Bürgern Einlass ins Foyer. Dort konnten sie Schautafeln betrachten und an Stehtischen mit Amprion-Mitarbeitern sprechen. Der große Saal des Leo-Theaters, in dem 200 Menschen Platz gehabt hätten, blieb geschlossen. So konnten keine kritischen Fragen im Plenum gestellt und die Antworten von allen Besuchern gehört werden. „Wir machen keine Vortragsveranstaltung. Wir haben ein individuelles Konzept mit Einzelgesprächen“, erklärte jeder Mitarbeiter gleichlautend auf Nachfrage. „Dann trauen sich die Menschen eher, Fragen zu stellen“.
So wurden über Stunden dieselben Fragen wiederholt und von Mitarbeitern beantwortet, während draußen bis nach 19 Uhr Bürger auf Einlass warteten. Die Antworten ließen Widerspruch oder Nachfragen kaum zu. Fragen nach der Gesundheitsgefährdung – bekannt sind Risiken für Menschen mit Herzschrittmacher und ein erhöhtes Leukämie-Risiko bei Kindern durch die 380-Kilovolt-Spannung – bekamen zur Antwort: „Der Gesundheitsschutz ist gesichert.“ Auf die wohl hundertfach gestellte Frage, warum die „Stromautobahn“ überirdisch verlaufen müsse, obwohl es Alternativen gebe, hieß es: „Wir haben keine Wahl, der Gesetzgeber gibt das vor.“ Bleibt anzumerken, dass Netzbetreiber wie Amprion am Bundesbedarfsplangesetz maßgeblich mitgewirkt haben. Viele Besucher stellten Fragen zum Wertverlust ihrer Immobilie – man geht von einer 80-prozentigen Wertminderung der Grundstücke im Einzugsbereich aus. „Grundstücke im Schutzstreifen unserer Leitungen sind sehr gefragt und werden gern gekauft“, lautete eine verblüffende Antwort.
Nur 200 Meter statt 400 Meter Abstand
Für den Neubau einer Trasse schreibt das Gesetz den Abstand von 400 Meter links und rechts der Trasse vor, in dem sich keine Wohnbebauung, Kindergärten oder Schulen befinden dürfen. Eine neue Trasse dürfte demnach nicht so nah an der Wohnbebauung vorbeiführen. Warum für die neue Höchstspannungsleitung in Schwelm nur 200 Meter vorgesehen seien, wollten viele Bürger wissen. Wegen der (viel kleineren) Bestandstrasse handele es sich um einen „Ersatzneubau“, für den das Gesetz nicht gelte.
Das Vorhaben von Amprion befindet sich in der Planung. Das Planfeststellungsverfahren soll Ende 2025 bei der Bezirksregierung eingereicht werden. Die geplanten Maßnahmen wurden in Einzelgesprächen als alternativlos dargestellt, viele Fragen blieben unbeantwortet. Das führt bei den Schwelmer Bürgern zu noch größerem Unmut und Widerstand.