Vorwürfe der SPD und Reaktionen der Industrie- und Handelskammer SPD fordert von der IHK ein Bekenntnis
Neuss · Dass die IHK mit ihrem geplanten Innovations- und Bildungscampus nicht in den alten Kaufhof einziehen möchte, ruft jetzt auch die SPD auf den Plan. Sie fordert ein Bekenntnis der Kammer zum Standort Neuss. Grundlos, sagt die IHK und sieht sogar positive Effekte für die Stadtentwicklung.
Bürgermeister Reiner Breuer (SPD) war bereits „irritiert“, jetzt legt Sascha Karbowiak, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, nach: Mit ihrem Nein zur Nutzung der alten Kaufhof-Immobilie als Standort für ihren geplanten Innovations- und Weiterbildungscampus entziehe sich die Industrie- und Handelskammer (IHK) ihrer Verantwortung „für die so oft geforderte Stärkung der Neusser Innenstadt“, so heißt es in einem jetzt von der SPD veröffentlichten Statement. Gleichzeitig lasse die IHK ein klares Bekenntnis zum Alternativstandort am Wendersplatz vermissen.
Die Vollversammlung der IHK hatte es in der vergangenen Woche abgelehnt, in die oberste Etage des Kaufhof-Komplexes einzuziehen. „Und das trotz toller architektonischer Pläne, einer modernen Dachterrasse und einer großen Tiefgarage“ – Karbowiak kann die Entscheidung offenbar nicht nachvollziehen und verweist auch auf Bürgermeister Breuer, der dem Stadtrat detailliert über die Gespräche mit der IHK berichtet habe und der der Ansicht sei, dass die IHK „nicht ganz sauber gespielt“ habe. Angeblich habe die IHK es versäumt, den Mitgliedern der Vollversammlung schriftliche Informationen zu den Neusser Plänen weiterzuleiten. Karbowiak wünscht sich nun ein klares Bekenntnis der IHK zum Standort Neuss, außerdem könne die IHK ihre Entscheidung gegen den Kaufhof noch einmal überdenken.
Nach Jahreswechsel soll über Wendersplatz gesprochen werden
Auf Seiten der IHK werden Karbowiaks „Wünsche“ zur Kenntnis genommen, mehr aber wohl auch nicht. Es bestehe gar kein Anlass, am Bekenntnis der Kammer zum Standort Neuss zu zweifeln. Die Entscheidung gegen den Kaufhof stehe und sei aus Gründen und mit großer Mehrheit getroffen worden. IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz versteht die offensichtlich zwischen Enttäuschung und Erzürnen schwankenden Reaktionen aus Rathaus und SPD-Fraktion nicht. „Ich freue mich über das Interesse der Stadt an der IHK. Es gibt keinen Zweifel, dass die Kammer an ihren Plänen für den Bau eines Innovations- und Bildungscampus in Neuss festhält.“ Nicht nur, dass der Campus kommen soll, sei klar, sondern auch die Standortfrage: „Unsere Aktivität am Wendersplatz ist fest in unserer Wirtschaftssatzung für 2025 verankert.“ Direkt für die Zeit nach dem Jahreswechsel kündigt Steinmetz die Wiederaufnahme von Gesprächen mit Bürgermeister Breuer in Sachen Wendersplatz an.
Dass, wie jetzt von der SPD suggeriert werde, plötzlich die IHK über Wohl und Wehe in der Neusser Innenstadt und speziell der Kaufhof-Nachnutzung entscheide, weist der IHK-Hauptgeschäftsführer zurück: „Wir waren nicht das Zünglein an der Waage.“ Der Bürgermeister habe immer, auch öffentlich, erklärt, dass es mehrere Interessenten für die auch der IHK angebotenen Teile des Kaufhof-Komplexes gebe.
Breuer habe, so Steinmetz, zudem immer darauf verwiesen, dass die IHK in ihrer Entscheidung – Kaufhof oder Wendersplatz – frei sei. Erst auf Vorschlag der Stadt habe sich die IHK alternativ zum Wendersplatz auch mit der Kaufhof-Immobilie beschäftigt, verbunden auch mit der Bitte um eine Entscheidung bis Ende 2024. „Dem sind wir gern nachgekommen und haben das Angebot intensiv geprüft“, sagt Steinmetz.
Der Vollversammlung, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer, sei nichts vorenthalten worden. Zudem sei die Stadt mit ihren Immobilienspezialisten Ralf Kriesemer und Dirk Reimann sowie Rechtsamtsleiter Andreas Galland in der Versammlung vertreten gewesen: „Es wurde vorgetragen, es wurde nachgefragt, irgendwann gab es aber auch keine offenen Fragen mehr.“
Das Angebot der Stadt für den Kaufhof sei, so Steinmetz, nicht grundsätzlich uninteressant gewesen. Vieles habe gestimmt, Faktoren wie Lage, Parkplätze in der Tiefgarage, Nachhaltigkeit hätten zunächst für den Kaufhof gesprochen, auch der von der Stadt aufgerufene Preis sei in Ordnung gewesen.
Das Nein zum Kaufhof sieht Steinmetz in erster Linie darin begründet, dass das Gebäude aus IHK-Sicht für den geplanten Campus wesentliche Funktionen – etwa größere, offene, freie Flächen und Begegnungsplätze – auch nach einem Umbau nicht im nötigen Umfang zu bieten habe.
Andere IHK-Vertreter und Mitglieder der Vollversammlung kritisieren, dass die IHK in der obersten Kaufhof-Etage im Stadtbild nicht erkennbar und repräsentativ genug untergebracht wäre. Die IHK-Zentralen in Krefeld und Mönchengladbach seien im Vergleich deutlich repräsentativer und besser auf die Bedürfnisse der Kammer zugeschnitten. Auch der Gedanke, selbst bei einem Teilerwerb des Gebäudes, nicht Herr im eigenen Hause zu sein, mit ungewisser Entwicklung in den übrigen Teilen des Komplexes und der Abhängigkeit auch von der Stadt, behagte in der Vollversammlung offensichtlich vielen nicht. Bei einem Neubau am Wendersplatz sehe das anders aus.
„Da die Stadt ja noch andere Interessenten hat, hoffe ich, dass sie mit einem davon schnell einig wird“, sagt Steinmetz. Unter dem Strich betrachtet sei das Ergebnis für Neuss dann doch auf jeden Fall besser als bei einem Einzug der IHK in den Kaufhof: „Das alte Warenhaus mit seinem Umfeld wird neu belebt und in die Neugestaltung des Wendersplatzes kommt mit der IHK Bewegung.“
Mit Blick auf den Kaufhof drückt auch Karbowiak aufs Tempo: Gespräche mit anderen Interessenten über die Nutzung der zweiten Etage, für die bislang die IHK eingeplant gewesen sei, sollten kurzfristig fortgesetzt werden: „Wir sind jedenfalls überzeugt davon, dass wir eine attraktive und dauerhafte Nutzung des ehemaligen Kaufhof-Gebäudes präsentieren können.“