Aus Irak geflüchtet: Salwa Bader will in Sprockhövel zu Hause sein
Die Frau aus dem Irak hat Menschen in der Stadt ihre Geschichte erzählt.
Sprockhövel. Die junge Frau in der Freiwilligenbörse sitzt mit dem Rücken zur Wand. Mehr als 30 Menschen schauen sie an. Sie heißt Salwa Bader und ist aus dem Irak geflohen. Seit sieben Monaten lebt sie in Sprockhövel. Wie es weitergeht, weiß sie nicht. Eine Entscheidung, ob sie bleiben darf, kann Jahre dauern. Salwa Bader spricht leise, macht Pausen, in denen Kameran Hudsch vom Landesspracheninstitut übersetzt. Sie erzählt den Sprockhövelern, warum sie hier ist.
Sie habe sich im Irak verliebt, aber die Familie sei dagegen gewesen. Ihr Onkel, berichtet sie, ist mit dem Messer auf sie losgegangen. Aus Angst um ihr Leben floh sie, tagelang zu Fuß durch den Wald. Ihr Freund habe alles verkauft, was er hatte, um ihre Flucht zu bezahlen. Die führte über Istanbul und verschiedene Länder nach Deutschland.
Zu der Veranstaltung haben Stadt, die Agenda 21 und die VHS eingeladen. Das Ziel: Flüchtlinge sollen nicht erst bemerkt werden, wenn es Probleme gibt, sondern die Schicksale hinter den Statistiken ein Gesicht bekommen. Wie das von Minia Petros Ghebremeskel, die nicht in die Armee von Eritrea eingezogen werden wollte. Wie das der Pakistaner Ahmad Suhail und Samael Bader, die einer Glaubensrichtung des Islam angehören, die von anderen Islamgläubigen als Ketzerei betrachtet und blutig verfolgt wird.
Kameran Hudsch übersetzt nicht nur, er kann aus eigenem Erleben schildern, wie es ist, als Flüchtling in einem Land anzukommen, dessen Sprache man nicht kennt. In dem man Glück haben muss, einen ersten Sprachkurs zu bekommen. „Das ist ein Teufelskreis“, sagt er. „Kein Deutsch, kaum Kontakte. Und ohne Kontakte kann man eine Sprache nicht lernen.“
Hudsch ist aus Syrien geflohen, zweimal sei er aus politischen Gründen verhaftet worden, eine dritte Verhaftung drohte. „Mein Ziel war Brüssel, ich konnte ja Französisch. Aber mein Schleuser hat mich in Hannover abgesetzt.“ Auch bei Hudsch dauerte es Jahre bis zur Anerkennung seines Aufenthaltsstatus’. Jahre im Heim, mit anderen Flüchtlingen in einem Zimmer; keine Erlaubnis zu arbeiten. Hudsch bekam Depressionen, war in Behandlung. Und trotzdem sagte er sich: Mach etwas aus dir.
Sprache sei nicht alles, zur Integration aber unerlässlich, sagt Michael Bergediek, der bei der Stadt Flüchtlinge betreut. Weil etwa Kinder, die kaum Deutsch können, in der Schule keine Chance haben. Hudsch hat sich sein Deutsch erkämpft. Und konnte dem Sachbearbeiter, der über sein Schicksal entscheiden sollte, auf die Frage nach der Sprache sagen: „Ich übersetze gerade Grass ins Arabische.“