Sprockhövels Denkmäler Gezäh, Geleucht und Arschleder
Die Heimatstube des Heimat- und Geschichtsvereins ist eines von vielen Denkmälern in Sprockhövel. In ihr lässt sich die Historie des Kohletagebaus nachverfolgen.
Niedersprockhövel. „Hier sehen Sie Dinge, die es woanders nicht zu sehen gibt. Nicht einmal im Bergbaumuseum in Bochum“, sagt Ludger Haverkamp. Der Gründer des 41 Jahre alten Heimat- und Geschichtsvereins Sprockhövel zeigt dabei auf die historischen Kostbarkeiten aus der Geschichte des Bergbaus in der „Heimatstube“. Das kurz vor 1800 erbaute Haus an der Hauptstraße gilt als die „gute Stube“ Sprockhövels und beherbergt ein Heimatmuseum, in dem allerdings nicht nur die Historie des Kohleabbaus geschildert wird.
Eine der landesweit größten Ausstellungen von 230 Wildvögel-Präparaten im gläsernen Anbau ist dort ebenso zu sehen wie archäologische Funde aus der Bronzezeit. Mineralien, Fossilien, Produkte der heimischen Industrie und Zeugnisse aus den Zeiten, als von Sprockhövel Goldwaagen nach ganz Europa verkauft wurden oder der Duftwasserhersteller 4711 in Haßlinghausen seine Parfümflaschen blasen ließ.
„Gezäh“, nämlich das bergmännische Arbeitsgerät, „Geleucht“, die umfangreiche Sammlung von Grubenlampen, unter anderem die wuchtigen „Elfpfünder“, die sich die Hauer zum Teil an den Gürtel hängten, sind im Keller des Hauses zu bewundern, wo ein „Duck di“ die Hochgewachsenen darauf aufmerksam macht, sich nicht den Kopf an dem niedrigen Balken zu stoßen.
„Gezäh“, das beinhaltet zum Beispiel die Werkzeuge, mit denen das schwarze Gold aus dem Boden gelöst wurde, die Schutzhelme aus Metall, hartem Leder und später aus Leichtmetall. Und („Daran haben die Schulklassen, die uns regelmäßig besuchen, immer besonderen Spaß“, so Ludger Haverkamp) das „Arschleder“, mit dem die Bergleute Kleidung und Unterleib schützten, wenn sie liegend, kriechend und hockend ihre schwierige Arbeit verrichteten.
„Oft erleben wir auch, dass die Schulkinder einen oder wenige Tage später mit ihren Eltern zu uns kommen, dann für Mama und Papa den Museumsführer spielen und ihnen die Ausstellungsstücke erklären“, verrät Gerhard Koch, der zweite Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins. Fesselnd sind dabei sicher die Nachbildungen aus der Geschichte des Ruhr-Bergbaus, der in Sprockhövel seinen Anfang nahm. Da hatten die Menschen nämlich relativ dicht unter der Oberfläche der heimischen Scholle die Kohle entdeckt und abgebaut. „Esskohle“, die aber nicht zum Verzehr bestimmt war, sondern sich besonders zur Befeuerung der Essen im Bergischen Land eignete, wo Qualitätswerkzeuge hergestellt wurden.
Später erfolgte die Förderung per „Pferdegöpel“, was bedeutete, dass ein bedauernswerter Gaul im Kreis gehen musste und damit ein Förderband mit Kohlebehältern in Bewegung setzte, das die Kohle nach oben beförderte.
Eine weitere Entwicklung ist mit der Nachbildung der im Muttental (Kreis Witten) beheimateten Zeche Egbert, wo es bereits eine maschinelle Förderung gab — vor Ort in der Heimatstube zu sehen. In einem anderen Kellerraum gibt es zudem ein Modell der Sprockhöveler Zeche „Alte Haase“, der Wiege des Ruhrbergbaus. „Lochsteine“, zum Teil ehrwürdigen Alters, markierten auch unter Tage die Grenzen zwischen den Abbaugebieten, was oft zu Streitigkeiten und zum Teil auch zu Schlägereien unter den Bergleuten führte. Mit den „Lochsteinen“ mit der Jahreszahl 1852 der Zeche Hoffnungsthal bei Bredenscheid ist die Erinnerung an schwere Unglücke verbunden. „Zahlreiche Todesfälle führten dazu, dass dieses Bergwerk um 1900 schließen musste“, berichtet Ludger Haverkamp, der wie die Mitglieder des HGV in der Heimatstube über ein profundes Wissen verfügt und auch zahlreiche Anekdoten zum Besten geben kann.
Heute recht amüsant, für die Familien der Bergleute jedoch sicher bisweilen tragisch, verlief der eigenständige Verkauf der Kohle an die Werkzeughersteller im Bergischen Land. Auf dem Weg nach Barmen und zurück säumten nämlich rund 40 Kneipen die zunächst zu Fuß oder mit Fuhrwerken passierte heutige Glückauf-Trasse. Und dort wurde der Erlös der verkauften Kohle oft hochprozentig angelegt und kam dann bei den Familien der festlich gestimmten Hausherrn nur noch in stark reduzierter Menge an.