Radsport: Höhentraining im Schlaf

Die Radsportszene ist in Verruf. Jungprofi Tim Klinger will helfen, das wieder zu ändern und zieht für sich eine positive Jahresbilanz.

<strong>Sprockhövel. Am Ende seines ersten Profijahres im großen Radzirkus schnuppert Tim Klinger Höhenluft. "Ich schlafe derzeit auf 2500Metern Höhe", lacht der 23-jährige Sprockhöveler vom Team Gerolsteiner, und das ist im übertragenen Sinne gemeint. Er hat sich mit Hilfe eigener Sponsoren ein Spezialzelt mit Klimaanlage gekauft, in dem man die Luftzusammensetzung verändern kann und es um sein Bett am Trainingsort Emmendingen aufgebaut. Höhentraining im Schlaf sozusagen. "Ich probiere das mal aus, alles natürlich ganz legal", beeilt er sich zu betonen, denn ihm ist bewusst, auf welch schmalem Grat die Radsportszene derzeit wandelt.

Ein Jahr der Skandale geht zu Ende. Eine Doping-Beichte jagte die nächste, jahrelanger systematische Betrug in der Branche wurde offenbar. Das hat natürlich auch Klinger betroffen gemacht, zumal mit seinem Teamsponsor Gerolsteiner (nach 2008) und der Telekom (ab sofort) die zwei Großsponsoren in Deutschland ihren Rückzug aus dem Radsport bekannt gegeben haben.

"Als die ganzen Geständnisse herauskamen, war das auch für mich ein Schock", bekennt Klinger. Einstige Idole mutierten über Nacht zu Betrügern. "Der Radsport hat einen großen Imageverlust, ich hoffe, es geht jetzt wieder aufwärts. Es ändert sich viel und ich denke, ich gehöre zu den Leuten, auf die der Radsport jetzt hofft", sagt er selbstbewusst.

Noch mehr Konstanz zu zeigen und die großen Belastungen einer Saison (Klinger absolvierte 2007 12000 Renn- und 18000 Trainingskilometer) noch besser wegzustecken, hat er sich zum Ziel gesetzt. Eine entscheidende Rolle dürfte die Gesundheit spielen, denn eine Reizung in einer Oberschenkelsehne im Knie hatte ihn nicht nur zur Aufgabe beim Giro, sondern fast auch bei der Vuelta gezwungen.

"Ich mache jetzt viel Gymnastik, um auch die Rumpfmuskulatur zu kräftigen", sagt er. Möglicherweise rührten die Probleme daher, dass er die Kräfte im Rumpf nicht halten könne und es dadurch bei Extrembelastungen zu einer Fehlhaltung komme.

In der Vorbereitung auf die neue Saison hat er neben dem Radtraining deshalb auch das ganzheitliche Training forciert, macht auf dem Feldberg Ski-Langlauf, geht Klettern oder Mountainbiken. "Mit Christian Henn, Reimund Dietzen, Christian Wegmann und Michael Rich habe ich in Emmendingen eine tolle Trainingsgruppe. Den Umzug dorthin habe ich nicht bereut, denn dort gibt es optimale Bedingungen", sagt Klinger.

Förderung Die Sparkasse Sprockhövel unterstützt Tim Klinger im kommenden Jahr finanziell, um ihm für Training weitere Möglichkeiten zu schaffen. "Er ist ein Sympathieträger für Sprockhövel und ein Mensch, der für den sauberen Sport steht", begründete das Sparkassenvorstand Dieter Gramatke. Gerade weil wegen der aufgedeckten Dopingskandale Sponsoren verloren gegangen seien, wolle man ein Zeichen setzen und einem jungen Sportler eine Chance geben.

Repräsentant Im Gegenzug soll Tim Klinger bei Gelegenheit als Repräsentant bei lokalen Veranstaltungen auftreten.

Team Gerolsteiner Klinger hat noch ein Jahr einen Vertrag beim Team Gerolsteiner, das nach der Saison 2008 seinen Rückzug aus dem Radsport angekündigt hat.