Die Runde von Ruhr zur Ruhr bietet viel Landschaft, Geschichte und Kultur der Region auf dem Servierteller und nutzt alte Bahntrassen – da lohnt ein Tagesausflug Vom Hügelland ins Ruhrtal und zurück
Urlaub vor der eigenen Haustür ist gerade in diesen Zeiten hochaktuell. Dass unsere Region in Hinsicht Landschaft, Kultur, Historie und Erholung ganz viel zu bieten hat, lässt sich auf dem Radweg von Ruhr zu Ruhr auch für den weniger geübten Radfahrer fast in idealer Weise erfahren.
Ehemalige Bahntrassen mit ihrem sanften Steigungsprofil sorgen dafür, dass der Abstieg aus dem Hügelland an der Grenze zum Bergischen hinunter ins ebenso schöne Ruhrtal und der Anstieg zurück trotz rund 180 Meter Höhenunterschied relativ bequem zu bewältigen ist. Früher wurde auf ihnen die Kohle in Richtung Wuppertal und Rheinschiene transportiert, heutzutage entdecken immer mehr Gastronomen, vom Kiosk über das kleine, idyllischen Café bis zum Ausflugslokal, dass sich an ihnen auch mit sanftem Tourismus „Kohle“ machen lässt.
Früher Kohlenbahn – heute bringt der sanfte Tourismus „Kohle“
Da ist man am Ruhrtalradweg, der inzwischen zu Deutschlands meistbefahrenen Flusswanderwegen gehört und auf den man zwischen Witten und Hattingen für rund 20 Kilometer einbiegt, deutlich weiter. Doch gerade die Ursprünglichkeit und Ruhe der Zubringerstrecken ins Bergische machen die Route von Ruhr zu Ruhr zum (Geheim-)Tipp.
Um Verpflegung muss man sich auf der rund 57 Kilometer langen Runde also nicht sorgen, es sei denn man nimmt sie sportlich, was sich mit dem entsprechenden Fahrrad – erst Recht mit E-Unterstützung – auch leicht unter drei Stunden schaffen lässt. Aber dafür ist diese Runde fast zu schade. Im Gegenteil lässt sie sich spielend zu einem Tagesausflug ausbauen, mit vielen Stopps und Abstechern, etwa am Kemnader Stausee, wo zahlreiche Einkehrmöglichkeiten, ein Tretbootverleih und auch eine Schifffahrt zum Verweilen einladen. Oder in Hattingen mit seiner hübschen Altstadt oder dem Industriemuseum Henrichshütte.
Theoretisch kann man die Strecke auch mit dem Rennrad fahren, da rund die Hälfte aber über Wege mit wassergebundener Sand- und Splittdecke oder rauherem Asphalt führt, sind ein etwas gröberes Reifenprofil und eine Federung empfohlen, um die Tour so richtig genießen zu können. Vorsicht ist bei Absperrgittern geboten, die zum größeren Hindernis werden können, wenn man mit Anhänger fürs Kind oder per Tandem unterwegs ist.
Empfehlenswert ist, die Runde gegen den Uhrzeigersinn zu fahren, denn der Anstieg von Hattingen bis zum Scheitelpunkt der Runde Sprockhövel-Schee ist auf 13 Kilometer gestreckt wesentlich bequemer und verkehrsloser als auf der anderen Seite der von Wetter nach Sprockhövel.
Lückenschluss ist
fast geschafft
Zwischen Wetter-Esborn und Wetter-Albringhausen befindet sich auch der einzige verbliebene längere Straßenabschnitt der Strecke. Er ist inzwischen knapp vier Kilometer verkürzt, weil 2017 auch die ehemalige Trasse der Elbschebahn in die Runde einbezogen wurde. Wer will, kann die nur mäßig befahrene Esborner (Land-)Straße allerdings auch in Windeseile hinunter bis Wetter-Bommern rasen und damit früher an die Ruhr kommen. Er verpasst allerdings einen landschaftlich wirklich schönen Teil, denn das Bachtal der Elbsche, deren Einschnitt die Bahn einst folgte, ist sehenswert. Es ist die jüngste ausgebaute Trasse auf der Runde. Die erste war in den 90er Jahren der Abschnitt Hattingen-Sprockhövel, als wohl noch niemand an einen Ringschluss dachte. Nun fehlt nur noch das 1,8 Kilometer lange Stück zwischen Gevelsberg-Silschede und Wetter-Albringhausen, was die Gesamtrunde dann gleichzeitig auf rund 56 Kilometer verkürzen würde. Der Regionalverband Ruhr will auch das noch realisieren.
Doch der Reihe nach: Wir sind auf unserer Tour in Haßlinghausen eingestiegen, wo es am Beermannshaus einen kleinen Wanderparkplatz, im übrigen auch einen Radverleih und gleich auch die erste Einkehrmöglichkeit im Restaurant an der Kohlenbahn gibt. Eine dort am Rand aufgestellte Kleinbahnlok verrät auf den ersten Blick, dass man sich nun auf einer ehemaligen Bahntrasse befindet. Gleich hinter Haßlinghausen öffnet die Landschaft. „Mama, ich will Kühe sehen!“ – Hier ist das kein Problem. Sehenswert ist auch das Biotop bevor es in Silschede bei Kilometer drei kurz auf die Esborner Straße geht. Vorsicht mit Kindern! Aber dank des Gefälles ist der Abschnitt schnell hinter sich gebracht. Hat man im dörflichen Albringhausen mit seinem schön hergerichteten ehemaligen Bahnhofsgebäude (die nächste Einkehrmöglichkeit) erst die Trasse der Elbschebahn erreicht, ist das alles gar kein Thema mehr. 3,8 Kilometer geht es nun hinunter nach Wetter-Wengern, durch viel Grün, einen imposanten Felseneinschnitt und schließlich über ein Viadukt, das den Blick auf Wengern und erstmals dann auch Richtung Ruhrtal freigibt. Dass man sich wenig später auf dem Ruhrtalradweg befindet, auch wenn der Fluss zunächst noch verdeckt ist, ist sofort daran zu erkennen, dass sich die Zahl der Radfahrer mit beachtlichen Packtaschen deutlich erhöht. Nicht wenige folgen der Ruhr von Winterberg bis Duisburg komplett.
Auf uns wartet mit dem Industriemuseum Zeche Nachtigall am Wegrand die erste Ausflugsmöglichkeit. Ein weiteres echtes Highlight der Strecke folgt kurz darauf: Die Fähre Hardenstein: Wer sie besteigt, ist sofort entschleunigt. Leise und geruchslos befördert sie den Radfahrern mit Elektroantrieb von der südlichen auf die nördliche Ruhrseite, wo der Weg weitergeht. Fahrpreis? Jeder zahlt, was es ihm wert ist, kann das Geld in ein Kästchen einwerfen. Wenn man vorher über eine Ruhrbrücke abbiegt, kann man die Fähre auch umfahren, hätte aber definitiv etwas verpasst. Nötig ist es im Sommer nicht. Zwischen Mai und September verkehrt sie zuverlässig täglich zwischen 9 und 19 Uhr, im April und im Oktober von 10 bis 18 Uhr.
Danach nähern wir uns dem Kemnader Stausee. Wer hier keine Einkehrmöglichkeit findet, ist selbst Schuld, allerdings ist der Betrieb bei gutem Wetter nicht nur am Wochenende beachtlich, muss man sich den Weg mit Inline-Fahrern teilen. Ein neuer Abschnitt, auf der man direkt an der Ruhr bis zur Schleuse bei Stiepel weiterfahren kann, ist gerade fertig geworden. Dort entfernt man sich dann von der Ruhr, kann im Wirtshaus Stiepel nicht nur etwas essen, sondern kann auch Pferdebeobachten, denn es handelt sich um ein einen großen Pferdehof. Das letzte Stück bis Hattingen geht es später zunächst wieder direkt an der Ruhr auf dem engen Leinpfad entlang, dann öffnet sich das Tal wieder.
Hattingen und Sprockhövel als letztes Etappenziel
In Hattingen geht es über die Ruhrbrücke, hier kann man theoretisch über die Innenstadt bis zum Schulenbergtunnel abkürzen. Das ist aber höchstens bei Ruhrhochwasser empfohlen, denn der anschließende Weg entlang einer Ruhrschleife bietet einmalige Flusseinblicke.
Vom hell ausgeleuchteten Schulenbergtunnel (was sagen eigentlich die Fledermäuse dazu?) geht es dann durch ganz viel Landschaft zurück nach Sprockhövel, wo man noch einmal Rast machen oder sich in Supermärkten direkt am Weg mit Wegzehrung eindecken kann, ehe es über den höchsten Punkt der Strecke bei Schee zurück zum Ausgangspunkt geht.