Talk zu „Kino, Oper und Palermo“. Als Wim Wenders einmal süchtig nach einer Arie wurde
Düsseldorf · Der Filmregisseur und die Kulturdezernentin Miriam Koch sprachen im Düsseldorfer Robert-Schumann-Saal über Opern und Musik.
Wim Wenders hält sich häufig in seiner Heimatstadt auf. Aber selten war sein Programm so intensiv wie in diesen Tagen. Erst wurde das nach ihm benannte Gymnasium in Oberbilk eröffnet, dann sichtete er mit hoher Konzentration die Beiträge zur Endrunde seines Wim-Wenders-Stipendiums. Dazwischen nahm er Platz auf dem Podium des Schumann-Saals zum Gespräch mit Kulturdezernentin Miriam Koch – dem „Forum Spezial“, betitelt mit „Kino, Oper und Palermo“.
Das Interesse war riesig, die Reihen gefüllt mit Publikum aus Kommunalpolitik, Kultur und Stadtgesellschaft. Zu Beginn des unterhaltsamen Dialogs kam der Regisseur und Fotograf noch einmal auf „sein“ Gymnasium zurück. Es sei so geworden, dass es Spaß mache, zur Schule zu gehen, sagte er. In ihr hat sich auch ein Projekt seiner Stiftung etabliert: die Europäische Schule des Sehens. Die Sprache des Kinos und der Bilder werde in keinem Unterricht vermittelt, bedauert er. Diesen Beitrag zur Bildung wolle er leisten. Im zweiten Jahr haben bereits fünf Düsseldorfer Schulen das Programm aufgegriffen.
Miriam Koch teilt ihre Leidenschaft für Palermo mit Wim Wenders, der dort 2006 seinen Film „Palermo Shooting“ drehte. Die sizilianische Hauptstadt habe damals noch offen ihre Wunden gezeigt, aber gleichzeitig an die Utopie einer neuen Blüte geglaubt. Die trat auch ein, Palermos Gesicht hat sich seitdem total verändert. Der großartige Bürgermeister Leoluca Orlando sorgte dafür, dass das lange geschlossene Teatro Massimo wiedereröffnet werden konnte. „Man denkt, das ist die Oper schlechthin“, sagte der Regisseur. Miriam Koch ermunterte ihn, von seiner bisher einzigen Opern-Inszenierung zu erzählen. Das war dann auch die allerschönste Anekdote der kurzweiligen Stunde.
Wenders lebte einst in San Francisco, fühlte sich beim Schreiben eines Drehbuchs einsam und suchte allabendlich die Kneipe „Tosca’s“ auf: „Die hatten eine Jukebox voller Opernarien.“ Er fütterte sie rauf und runter, und als er auf die Arie des Nadir aus „Die Perlenfischer“ von Georges Bizet stieß, war es um ihn geschehen: „Monatelang habe ich nie mehr etwas anderes gespielt.“ Als ihn Daniel Barenboim Jahre später zu einer Opernregie in Berlin einlud, kamen ihm „Die Perlenfischer“ wieder in den Sinn. Barenboim stutzte, ließ sich aber die Partitur bringen. „Er blätterte darin, und ich konnte spüren, wie er hörte, was er da las“, erinnert sich Wenders. Es habe Verrisse gegeben bei der Premiere, doch dann wurde seine Inszenierung in Peking gezeigt: „Ein Riesenerfolg, immer ausverkauft. Die waren wild auf europäisches Musiktheater. Im Publikum saßen 5000 junge Menschen, während ich in Berlin nur auf graue Köpfe geschaut hatte.“
Wie man ihn denn für eine Oper nach Düsseldorf locken könne, wollte Koch wissen. Grundsätzlich sei es besser, wenn nicht alle schon wüssten, wie es geht, sagte er. Opern-Inszenierungen seien ein Jonglieren zwischen der eigenen Vision und dem, was die Sänger brauchten. „Das große Problem ist die Kluft zwischen Singen und Spielen“, führte Wenders aus: „Die Künstler können wunderbar singen, aber sobald sie spielen müssen, kann es bodenlos sein.“ Schöner sei es, würde man sich von der starren Kastenkonstruktion der Bühne befreien und eine Art Rund schaffen. Wenders ist ein Kenner von Architektur, aus seiner Sicht müsste man eine Oper von innen nach außen bauen und zuerst die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen: „Die Form ergibt sich aus der Funktion.“