Forschung von Schülern Am Wuppertaler Nützenberg stimmten 35 Prozent der Wähler gegen Hitler

Wuppertal · Schüler erforschen Widerstand und das Engagement von Pfarrer Joseph Schmitz.

Die Schulerinnen Julia Wingenbach (l.), Alexandra Hartwig und Lehrer Falk Paysen berichteten vom Engagement des Pastors Joseph Schmitz für Zwangsarbeiter.

Foto: Matthi Rosenkranz

Zu einer Würdigung des Widerstandes gegen das nationalsozialistische Terrorregime hatte jetzt die Geschichts-Arbeitsgemeinschaft (AG) des Sankt-Anna-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit dem Historiker Stephan Stracke eingeladen. Im Pfarrheim der Gemeinde St. Joseph am Nützenberg stellten sie am Sonntag – nach einem Gottesdienst – den Stand ihrer Recherchen zum Widerstand im sogenannten „Anilin-Viertel“ am Nützenberg vor.

Zahlreiche Aufsteller illustrierten mit Bildern, Texten und Listen die Jahre, in denen das Hitler-Regime versuchte, Fuß zu fassen. Eindrucksvoll schilderten die Referentinnen und Referenten, darunter auch Alexandra Hartwig und Julia Wingenbach als Mitglieder und Geschichtslehrer Falk Paysen als Leiter der Geschichts-AG, welche Rolle beispielsweise der katholische Priester Joseph Schmitz in der Wuppertaler Widerstandsbewegung gespielt hat. Auch Linus Klemmer und Leon Gehler sind Mitglieder der AG, die gerne den Auftrag des Stadtdechanten Bruno Kurt übernommen hat, sich mit der Rolle des Widerstandes der katholischen Kirche in Wuppertal zu beschäftigen.

Die Mitglieder der Geschichts-AG würdigten das Engagement von Pfarrer Schmitz, indem sie das Wenige, was sie über den widerständigen Kirchenmann wissen, der von 1935 bis 1966 die Gemeinde Sankt Joseph begleitet hat, vortrugen. Weil er sich empört darüber geäußert hatte, dass heidnische Zeichen und Nazisymbole Teil einer Fronleichnamsprozession sein sollten, wurde er verhaftet und mehrfach von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) vorgeladen.

Weiterhin habe er den zahlreichen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die im Elberfelder Bayerwerk arbeiteten und in den Quartieren Ölberg und Nützenberg unter erbärmlichen Bedingungen leben mussten, Trost gespendet und in der Kirche Sankt Joseph Zuflucht sowie einen Ort für ihren Glauben geboten. Weil er acht Sprachen beherrschte, konnte vielen Menschen unterschiedlicher Nationalität helfen, mit denen er in ihrer Muttersprache kommunizieren konnte, insbesondere vielen Menschen aus Polen.

Volksabstimmung über Zusammenlegung der Ämter

Die Geschichts-AG hat in Zusammenarbeit mit Stephan Stracke auch über die zunächst geringe Akzeptanz von Adolf Hitlers Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei (NSDAP) geforscht und die Ergebnisse der Volksabstimmung 1934 über die Zusammenlegung der Ämter des Reichskanzlers und Reichspräsidenten aufbereitet.

Hitlers Begehren, auch das Amt des verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zu übernehmen, stieß insbesondere in Wuppertal auf ein hohes Maß an Ablehnung: „Das war Folge der Kombination des Widerstandes, den Kommunisten, Sozialdemokraten und die katholische Kirche in Wuppertal leisteten“, so Stephan Stracke.

Der sei besonders nach den Erfahrungen mit den neuen Machthabern zu Beginn der Regierung groß gewesen: Nach der sogenannten Machtergreifung der Nazis im Januar 1933 habe es viele Tote gegeben, die Einrichtung des Konzentrationslagers Kemna, in dem von Juli 1933 bis Januar 1934 Gefangene gefoltert wurden, und zunächst in der Region nicht eingelöste Versprechen hätten einen großen Teil der Bevölkerung gegen die neuen Machthaber aufgebracht.

Das sei auch in den Ergebnissen zur Volksabstimmung deutlich geworden, wobei die Zahlen aus dem Wahllokal in der Schule am Nützenberg die Ablehnung der geplanten Machtkonzentration deutlich signalisierte: „Hier haben nachweislich 35 Prozent der Wählerinnen und Wähler dagegen gestimmt“, so Falk Paysen. Reichsweit stimmten nur zehn Prozent dagegen. Deshalb gilt die Grundschule auch als einer der Orte Wuppertaler Demokratiegeschichte. Als „Orte der Demokratiegeschichte“ zeichnet ein Stiftung gleichen Namens seit einiger Zeit bundesweit Gebäude, Denkmäler oder Institutionen aus, an denen die Geschichte der Demokratie in Deutschland, der Einsatz von Menschen für die Demokratie deutlich wird.

Gemeinsam arbeiten Stephan Strackes Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal und die Geschichts-AG jetzt an Kontakten zu den „Kindern des Widerstands“ und deren Nachkommen, darunter denjenigen der Familien von Karl und Willi Dinsing. „Deren Leistung gilt es zu würdigen“, formuliert Stephan Stracke die Aufgaben der Forschung zur Widerstandsbewegung in Wuppertal.