Wuppertal „Wir haben schon manchen Sturm überstanden“

Interview Kreishandwerksmeister Arnd Krüger über die Situation der Kollegen in 6500 Betrieben in Wuppertal und Solingen.

Glasermeister Arnd Krüger vertritt als Kreishandwerksmeister die Kollegen in insgesamt 6500 Betrieben in Solingen und Wuppertal.

Foto: ja/michael schütz

Herr Krüger, wie viele Kollegen oder Betriebe vertritt die Kreishandwerkerschaft Solingen-Wuppertal?

Arnd Krüger: Die Kreishandwerkerschaft vertritt aktuell etwa 6500 Betriebe in beiden Städten, davon etwa 4300 in Wuppertal. Derzeit haben die Unternehmen insgesamt 29 000 Mitarbeiter und 1500 Auszubildende und machen gemeinsam einen Jahresumsatz von etwa 2,3 Milliarden Euro. Das Handwerk ist also ein richtig großer und wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region.

Wie ist die aktuelle Situation in den Betrieben jetzt in der Corona-Krise?

Krüger: Ich spreche derzeit mit vielen Menschen im Handwerk über das Thema. Die aktuelle Situation ist je nach Branche sehr unterschiedlich. Das Friseurhandwerk beispielsweise liegt gerade komplett am Boden, dort gibt es seit Wochen „Einnahme Null“. Einbußen gibt es auch bei den Bäckern oder Metzgern. Dort läuft zwar der Verkauf weiter, aber weil Cafés oder der Imbiss geschlossen werden mussten, bedeutet das auch Einschränkungen. Im Bauhandwerk arbeiten hingegen meiner Kenntnis nach alle weiter. Die Dachdecker etwa haben eine gute Auftragslage und nutzen das derzeit gute Wetter. Teilweise Einschränkungen gibt es bei den Heizung/Sanitär- und den Elektrounternehmen, weil Kunden bezüglich der Ansteckungsgefahr vorsichtig geworden sind. Ich selbst bin Glasermeister und wir versuchen, Aufträge, die im Bestand sind, jetzt abzuarbeiten. Man merkt aber seit zwei Wochen, dass weniger Aufträge reinkommen und viele Kunden erstmal abwarten.

Leiden die Unternehmen auch unter Kurzarbeit, und welche Branchen sind besonders betroffen?

Krüger: Teilweise gibt es Kurzarbeit bei Bäckern oder Metzgern, die keine Bewirtung im Ladenlokal anbieten dürfen und natürlich den Friseuren. Ansonsten gibt es im Handwerk bislang noch keine große Kurzarbeitswelle. Bis Ende Mai oder Anfang Juni sind die meisten über die bestehenden Aufträge weitgehend ausgelastet. Wenn sich bis dahin die Situation aber nicht normalisiert, wird sich das auch auf die Arbeitssituation des Handwerks auswirken. Dann wird es auch vermehrt zu Kurzarbeit kommen.

Wissen Sie von Unternehmen, die schon die Soforthilfe von 9000 oder bis zu 15 000 Euro beantragt haben?

Krüger: Bei dieser Hilfe hat der Staat gut funktioniert. Einige Solo-Selbstständige haben schon die 9000 Euro, Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern 15 000 Euro beantragt. Das ist von der Regierungspräsidentin auch schon gut abgearbeitet worden. Auch die Sparkassen helfen sehr gut, indem sie bei einem bewilligten Bescheid die Auszahlung direkt vornehmen. Ob ein Unternehmen Hilfe braucht, ist individuell natürlich verschieden. Ein Maler, der viele Fassadenaufträge macht, hat keine Probleme. Ein anderer, der eher Innenarbeiten hat, bekommt vielleicht Absagen, weil Kunden zur Risikogruppe gehören. Es sind also nicht nur die Friseure, die bislang Anträge gestellt haben.

Wie kann man als Handwerker die Kontaktbeschränkungen einhalten?

Krüger: Das ist von Gewerk zu Gewerk unterschiedlich. Wer im Rohbau, im Neubau oder auf dem Gerüst tätig ist, kann das gut steuern. In kleineren Unternehmen gibt es hingegen oft ein enges Miteinander. Insgesamt versuchen wir, auf Hygiene zu achten, regelmäßig die Hände zu waschen. Ansonsten müssen unsere Mitarbeiter, wie alle anderen auch, sorgfältig miteinander umgehen. Wir versuchen, Abstand zu den Kunden zu halten, bitten sie unter Umständen, sich in einem anderen Raum aufzuhalten.

Teilweise fragen Kollegen den Gesundheitszustand der Kunden vorab ab. Was halten Sie davon?

Krüger: Es gibt in dieser Richtung keine speziellen Fragebögen, die von der Kreishandwerkerschaft vorgegeben sind. Es sind eher individuelle Lösungen, wie jeder damit umgeht. Keiner ist leichtsinnig, aber der eine vielleicht noch etwas vorsichtiger als der andere Unternehmer. Aber es gibt keine Vorgabe, dass so etwas dokumentiert werden muss. Aber natürlich sind wir auch bei unseren Mitarbeitern noch wachsamer als sonst mit Blick auf das Wohlbefinden oder mögliche Grippesymptome.

Profitieren einige Kollegen auch davon, dass Menschen jetzt Zeit haben, um zu renovieren?

Krüger: Bei einigen Gewerken, etwa aus dem Dachdeckerhandwerk, wurden aus kleineren Reparaturen jetzt durchaus größere Aufträge. Manche Kunden fragen sich, was ihr Geld auf dem Konto noch wert ist und investieren lieber in ihr Haus. Auch die Tatsache, dass Menschen jetzt teilweise zu Hause sind oder Zeit haben, spielt da mit rein. Voraussetzung ist natürlich, dass die Auftraggeber selbst eine sichere finanzielle Perspektive haben.

Wie sieht die Versorgung mit Materialien aus?

Krüger: Ich habe noch nicht gehört, dass es bei der Lieferung von Material größere Probleme gibt. Teilweise ist der Nachschub aus Italien derzeit etwas schwierig. Die meisten Betriebe hier im Bergischen kaufen aber sehr regional ein, da gibt es keine Engpässe. In diese Richtung wird man sich in Deutschland wohl grundsätzlich umorganisieren müssen.

Gibt es Probleme bei der Zusammenarbeit mit Subunternehmen etwa aus dem Ausland?

Krüger: Die Betriebe, für die wir sprechen, sind meist kleinere und mittlere Firmen. Sie haben fast nur eigene Mitarbeiter. Und natürlich wird auch in der Krise versucht, die Stammkräfte zu halten. Ich erhalte aber vermehrt Anrufe von Personalvermittlern, dass es frei zu vermittelnde Kräfte gibt. Insgesamt sind jetzt alle eher vorsichtig.

Ist es jetzt schwieriger für die Unternehmen, etwa bei den Banken Kredite zu bekommen?

Krüger: Wir sind in Krisenstäben mit den Sparkassen und anderen Banken im Gespräch. Die Banken wissen um die Wichtigkeit ihrer Funktion und tun sicher, was sie tun können. Für diese Partnerschaft sind wir sehr dankbar. Aber es ist auch klar, dass tote Pferde nicht gesattelt werden. Firmen, die vor Corona nicht gut aufgestellt waren, werden jetzt verstärkt Probleme bekommen.

Was erwartet das Handwerk zukünftig?

Krüger: In der konjunkturellen Entwicklung bildet das Handwerk traditionell immer das Ende. Jetzt, wo Handel und Dienstleister teilweise im Keller sind, blicken viele neidisch auf das Handwerk. Wenn es anderen wieder besser geht, man wieder in Restaurants geht, dann ist das Handwerk eventuell im Keller. Wir hinken da immer etwas hinterher. Deshalb sind wir zwar froh darüber, wie es jetzt ist, sind uns aber bewusst, dass sich das ändern kann. Wichtig ist, dass wir in den Betrieben in Wuppertal und Solingen viele erfahrene Unternehmer haben, die manchen Sturm überstanden haben. Auf der anderen Seite braucht das Handwerk guten Nachwuchs.