Goldbergs Appell zur Wachsamkeit
Erinnerung an die Reichspogromnacht am 9. November 1938.
Wuppertal. Leonid Goldberg, Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde, richtete am Mittwochmorgen einen eindringlichen Appell an die Teilnehmer der Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg. „Gehen Sie, wenn es ihnen gesundheitlich möglich ist, am Abend auch zur Gedenkfeier und Demonstration in Vohwinkel“, wünschte sich Goldberg, der seine Zuhörer angesichts der zunehmenden Gewalt gegen Juden und jüdische Einrichtungen in Deutschland dazu aufforderte, „auf der Hut zu bleiben.“
Am 9. November wird jährlich der Opfer der Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 gedacht, als auch im Bergischen Land die Synagogen brannten. „Gedenken ist auf Vergangenheit und Zukunft ausgerichtet“, sagte Remscheids Bürgermeisterin Beate Wilding, die stellvertretend für die bergischen Städte sprach.
Dieser Gedanke zog sich wie ein roter Faden auch durch die Rede von Leonid Goldberg. Er beschrieb das Schicksal von Charlotte Friedländer, die 1941 deportiert und im Konzentrationslager ermordet wurde. Ihr Wunsch „wir sehen uns bald wieder, Kinder“ ging nie in Erfüllung.
Im Rückblick auf das vergangene Jahr klagte Goldberg über die Zunahme von gewalttätigen Übergriffen der rechten Szene, wobei er den Aufschrei der Öffentlichkeit und Medien vermisse. In Wuppertal habe es rechte Gewalt gegen jene gegeben, die gegen rechts demonstriert hätten. Während der Palästinenser-Konferenz in der Uni-Halle im Mai sei das Existenzrecht Israels infrage gestellt worden, beschrieb er kurz darauf die Gefahren extremer linker Positionen. So würden linke Politiker — darunter gewählte Abgeordnete — die Kritik an der Politik Israels mit antisemitischen Tendenzen verbinden.
Zur Tradition dieser Gedenkfeier gehört die Teilnahme einer Schülergruppe aus jeweils einer der drei bergischen Städte. In diesem Jahr lasen Schüler der städtischen Gesamtschule Solingen, die einen stillgelegten jüdischen Friedhof in der Nachbarstadt pflegen, aus Briefen vor, die sie von geflüchteten Juden erhalten haben. In den Antwortbriefen — einer kam aus Australien — wurde deutlich, wie sehr sich die Opfer oder deren Angehörige über den persönlichen Einsatz und die Anteilnahme der Schüler freuen.