Krass: Jugendsprache für alle

Vorlesung: Die Germanistin Eva Neuland spricht am Montag über Jugendsprache. Ihr Thema in der Reihe UniTal: „knorke, klasse, cool“.

Wuppertal. Seit Generationen wird die "Sprachlosigkeit" zwischen den Generationen beklagt. Eltern verstehen ihre Kinder nicht mehr, der Wortschatz von Oma und Opa ist meilenweit von dem des pubertierenden Enkelkindes entfernt. "Sprechen Sie discodeutsch?" lautete eine Schlagzeile in den 1980ern und war Ausdruck einer Sprach-Hysterie. Inzwischen füllen die Wörterbücher mit der ins Alphabet gegossenen, vermeintlichen Jugendsprache die Regale in den Buchhandlungen und finden reißenden Absatz.

Bei der Germanistin Eva Neuland kommen die Szene-Nachschlagewerke weniger gut an. Die Professorin an der Bergischen Uni forscht seit Jahren zum Thema Jugendsprache und sieht die Diskussion um die große Sprachlosigkeit, um Russendeutsch und Türkendeutsch, um Sprachverhunzung oder "Denglisch" ziemlich relaxed, wenn nicht gar entspannt. "Es gibt verschiedene Formen der Jugendsprache, und es gab sie schon immer", weiß Eva Neuland, die die DFG-Studie zur "Deutschen Schülersprache" leitete und 2001 in Wuppertal die Fachkonferenz "Jugendsprache - Spiegel der Zeit" organisierte.

Berlinerisch (veraltet), steht für fein, tadellos

Am Montag, 25. Juni, hält Eva Neuland den zweiten Vortrag in der Reihe UniTal. UniTal ist eine gemeinsame Veranstaltung von Westdeutscher Zeitung und der Gesellschaft der Freunde der Bergischen Universität in Zusammenarbeit mit der CityKirche Elberfeld. Dort spricht die Expertin für Jugendsprache zum Thema "Knorke, klasse, cool - zur Sprache von Jugendgenerationen".

Dabei wird Neuland mit Vorurteilen aufräumen, zum Beispiel mit dem: Die Jugendlichen machen aus Deutsch "Denglisch", weil sie die MTV- und Internet-Sprache nach Lust und Laune mit ihrer Muttersprache vermischen. Einen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt es nicht. Laut DFG-Studie fanden sich unter 126 000 von Schülern gebrauchten Wörtern weniger als 100 "Denglisch"-Begriffe. "Wie stark englische Wörter in den Dialog einfließen, hängt von der Sprachsituation ab. Wenn sich Jugendliche über Musik unterhalten, werden zwangsläufig mehr englische Begriffe verwendet. Meist aber sind das Fachbegriffe wie HipHop", erklärt Neuland.

Umgangssprache, steht für hervorragend, großartig

Ohnehin reden Jugendliche vor allem unter- und miteinander in ihrer Sprache. In der Gruppe, in der Szene, wird die Sprache entwickelt, die zu anderen, vor allem zu den Erwachsenen abgrenzt. Die Jugendsprache ist dabei zum stetigen Wandel verdammt, denn irgendwann übernehmen auch die Erwachsenen den Terminus ihrer Nachkommen. Neuland: "Welcher Jugendliche sagt schon ,Du nervst’, wenn die Mutter die selbe Wortwahl pflegt? Wo bleibt da die Abgrenzung?" Die Bezeichnung "geil" ist längst salonfähig geworden und die ursprünglich sexuelle Bedeutung verallgemeinert. Und so werden am laufenden Band Ersatzbegriffe etabliert: aus "geil" wird "fett", "krass" oder "abgefahren". Und ehe sich den Erwachsenen die wahre Bedeutung des Synonyms erschließt, ist die Jugendsprache schon wieder ein Stück weiter.

Jugendsprache, steht für hervorragend (englisch-amerikanisch: umgangssprachlich für überlegen, kaltschnäuzig)

Ein weiteres Beispiel: "Braut" bezeichnet eigentlich eine Frau vor ihrem Hochzeitstag. In der Jugendsprache ist es die Freundin eines anderen Jugendlichen, meist gebraucht, wenn die Braut selbst nicht anwesend ist. "Bei männlichen Jugendlichen ist der Begriff gar nicht so negativ besetzt, Mädchen empfinden ihn hingegen als Abwertung", meint Neuland.

Ob "Braut" oder "Tussi", für Eva Neuland ist die Sprachkompetenz entscheidend. Eine Form von Mehrsprachigkeit: "Jugendliche müssen lernen, sich ihrem Gesprächspartner anzupassen, also wissen, wem gegenüber welche Wortwahl zu treffen ist."

Unter dem Strich bereichern auch Jugendliche ihre Muttersprache. Gerade im Deutschen geschieht dies schon seit Jahrhunderten. "Deutsch hat immer schon stark vom Einfluss anderer Sprachen profitiert", sagt Neuland: "Wer weiß schon noch, dass Fenster aus dem Lateinischen stammt?"

Und wer weiß, in 100 Jahren werden es türkische und russische Wörter sein, die in den deutschen Sprachgebrauch übernommen wurden, ohne dass sich noch jemand darüber aufregen würde.