Das Video- und Audioarchiv der Pina Bausch Foundation Dreidimensionaler Pina-Film weckte sein Interesse
Alen Alagic digitalisiert, archviert und katalogisiert die Videoaufnahmen der Stiftung.
„Das hört nie auf, so lange es eine Bühne und Tänzer gibt“, ist Alen Alagic überzeugt. Der 29-Jährige kümmert sich seit 2016 bei der Pina Bausch Foundation um das Video- und Audioarchiv. Was im Kern Digitalisierung, Archivierung und Katalogisierung meint. Eine Arbeit, die eng mit den anderen Bereichen der Foundation verzahnt ist, der gegenseitigen Unterstützung durch die Kollegen bedarf. Eine Arbeit, die auch Menschen, die sich ihr auf der technischen Seite nähern und nicht originär tanzbegeistert sind, in ihren Bann zieht. Die Faszination spüren lässt, die von Pina Bausch und ihrem Werk ausgeht. Aktuell muss der junge Mann freilich – wie alle anderen Mitarbeiter der Foundation – mit den Restriktionen durch das Coronavirus klarkommen.
Alen Alagic kam als Kind im Zuge des Bürgerkriegs in Sarajewo nach Deutschland, wuchs in Nordrhein-Westfalen auf und ließ sich zum Mediengestalter ausbilden. Er arbeitete als Kameramann, Editor und Fotograf für verschiedene öffentlich-rechtliche Sender und Produktionen. Der Name Pina Bausch begegnete ihm erstmals in Wim Wenders Film „Pina - tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren“, der 2011 und damit nach dem Tod der Choreographin erschien. „Der erste große Tanzfilm“ faszinierte den jungen Mann nicht zuletzt deshalb, weil er dreidimensional anzuschauen war. Als die Foundation einen Mitarbeiter für den Videobereich suchte, bewarb er sich.
Zirka 9000 Videoaufnahmen besitzt die Foundation, aus den 1960er/70er Jahren bis heute. Aufnahmen, die im Tanztheater, bei Aufführungen oder als Eigenproduktion (aufgenommene Interviews und Talks, oder Ausstellungsdokumentationen) entstanden. Sie liegen in den verschiedensten, zur jeweiligen Erstellungszeit üblichen Formaten vor. Dabei gibt es schlechtere Formate und bessere, und es gibt Videos mit Defekten an Bild und/oder Tonspur. Über 80 Prozent der Filme sind bereits digitalisiert. Da aber immer wieder neues, auch nicht-digitales Material dazukommt, ist kein Ende in Sicht - weder bei der Menge der Videos noch bei deren Digitalisierung.
Alagic erfasst die Videos in Excel-Listen, schreibt Entstehungsdatum und -umstand dazu, weist auf Proben- oder Aufführungsmaterial, Nachberichterstattung oder andere Zeugnisse hin, die es zu den Stücken gibt. Dokumentiert den Zustand der Videos. Die Listen sind Basis für das Onlinearchiv, das möglichst im Frühjahr starten soll, weshalb die Listen an seinen Kollegen Julian Klotz gehen, der sie – zusammen mit allen anderen Informationen – in seiner, eigens entwickelten Graphdatenbank zusammenführt und verschlagwortet, damit sie besser abrufbar sind. Alagic: „Dann müssen wir die Informationen noch gründlich überprüfen, damit der Onlinegang auch klappt.“
Der Mediengestalter erhält viele Anfragen – vom Tanztheater, das zum Teil lange nicht gespielte Stücke wie zuletzt „Das Stück mit dem Schiff“ rekonstruiert und dafür Material früherer Aufführungen und Proben braucht; Anfragen von Kollegen wie Ricardo Viviani, der für die Vorbereitung auf Oral History-Interviews Informationen benötigt; Anfragen von externen Compagnien und Anfragen der Medien. Dabei erschwert die Corona-Krise die Abwicklung, weil der junge Mann derzeit viel zuhause arbeitet. Was den Zugriff auf die dafür notwendigen Daten erschwert. Die haben eine nicht unerhebliche Größe und sind auf externen Festplatten, internem Server und auf einem Sicherheitsserver gespeichert - nicht zu allen hat Alagic im Homeoffice Zugang. „Viele Prozesse und Anfragebearbeitungen verlangsamen sich. Aber wir schaffen schon ein gutes Pensum, wenn auch weniger als wenn wir täglich im Büro an der Siegesstraße wären.“
Hat Alagic ein Pina Bausch-Lieblingsstück? Jedes habe etwas Besonderes, „je mehr ich digitalisiere, desto mehr erkenne ich, dass jedes Stück zu seiner Zeit und heute aktuell war und ist“.