Der Konzertmeister sorgt für den richtigen Musik-Fluss
Eigentlich wollte Nikolai Mintchev nur drei Jahre bleiben — am Mittwoch beendet er seine achte Saison bei den Sinfonikern.
Wuppertal. Dass er in seiner ersten festen Stelle von großen Selbstzweifeln geplagt war, mag man von dem hochgewachsenen, selbstbewusst auftretenden und frei redenden jungen Mann mit dem klaren Blick gar nicht glauben. „Ich war nach dem Studium der Violine an der Folkwang Hochschule mit 22 Jahren erster Konzertmeister der Essener Philharmoniker. Das war ein schwieriger Start — man drückte mir über den Sommer fünf Kilogramm Noten in die Hand“, erzählt Nikolai Mintchev, nunmehr erster und koordinierender Konzertmeister des Wuppertaler Sinfonieorchesters.
„Ich habe damals bestimmt vieles falsch gemacht und bin sehr durcheinander gebracht worden“, sagt er heute. „Jedenfalls habe ich mich bei den unendlich vielen Diensten gefragt, ob das noch Geige spielen ist.“
Ein Gastdirigat mit Toshiyuki Kamioka, der damals noch in Wiesbaden war, brachte für den jungen Violinisten das Aufatmen: „Der Stress fiel plötzlich von mir ab. Die Arbeit mit ihm war so motivierend, ansteckend und aufbauend.“ Und als er einmal für die Matthäus-Passion als Aushilfe bestellt wurde, lernte er die Stadthalle kennen und lieben. Nach dem Vorspiel bekam Mintchev dann sofort seine Stelle beim Sinfonieorchester in der Saison 2003/2004. „Ich wollte drei Jahre bleiben — jetzt bin ich bereits in der achten Saison hier.“
Nikolai Mintchev ist mit der Musik groß geworden. Im bulgarischen Sofia, wo der Vater bereits ein berühmter Geiger war, begann er, das Instrument mit viereinhalb Jahren zu spielen.
1990 siedelte die Familie nach Essen um, wo Vater Mintcho Mintchev seitdem an der Folkwang Hochschule eine Professur für Geige innehat. Auch der Sohn unterrichtet dort bereits eine Geigenklasse.
Über seine Aufgaben beim Sinfonieorchester spricht er mit Begeisterung: „Ich habe zumeist 13 Kollegen hinter mir sitzen und ich muss guten Kontakt zu den anderen Stimmführern halten. Unsere Aufgabe ist es, alles zusammenzuführen: den Dialog, die Parallelität, den Kontrast. Wichtig ist natürlich die Präzision. Und man strebt einen natürlichen Fluss der Musik an, bis man wie eine Stimme klingt.“
Dass sich das Orchester positiv entwickelt hat, kann Mintchev bestätigen: „Wir sind ein sehr ordentliches Orchester geworden und auf einem sehr guten Weg.“ So klingt jemand, der noch mehr verlangt. „Ja, es stimmt, man sollte nicht immer zufrieden sein. Damit macht man sich sicherlich auch unbeliebt.“ Aber: „Schließlich wollen wir auch dem tollen Publikum außergewöhnliche Erlebnisse bieten.“
Gibt es weitere Interessen des 31-Jährigen? „Ich wüsste nicht, was ich sonst machen sollte, außer vielleicht Fußball spielen.“ Denn in jungen Jahren war Mintchev ein begeisterter Fußballer, der wegen der vielen Bein-Verletzungen in der Pubertät durchaus gezwungenermaßen Geige spielte. Mittlerweile ist Mintchev verheiratet und hat eine zweieinhalbjährige Tochter.
Ob sie ein Instrument lernen wird? „Wir werden sie nicht dazu zwingen, obwohl meine Frau auch Musikerin ist und Trompete spielt. Denn wenn man ein Instrument auf hohem Niveau erlernen will, muss man unglaublich früh anfangen.“ Zukunftsvisionen? „Eine Professur an einer Hochschule kann ich mir durchaus vorstellen. Ich unterrichte nämlich wahnsinnig gerne.“